Partitur des Todes
heiße Kim Na-Bi.»
«Und was bedeutet Ihr Name?»
«Kim heißt Gold, und Na-Bi nennen wir den Schmetterling.»
«Das ist sehr hübsch. Sagen Sie mir, was geschehen ist?»
«Der Mann und die Frau kamen herein. Ich stand gerade auf einer Leiter und habe das Regal aufgefüllt. Er hatte eine Pistole, die er der Frau an den Kopf gehalten hat.»
«Können Sie sagen, wie es der Frau ging?»
«Nicht gut», sagte Kim Na-Bi. «Sie hatte großeAngst. Ihre Hand war verletzt. Sie wirkte schwach und verzweifelt.»
«Was ist dann passiert?»
«Mein Vater musste die Tür abschließen. Dann hat der Mann in die Decke geschossen. Er hat geschrien. Wir mussten alle nach hinten gehen.»
«Wissen Sie, wie viele Leute noch im Laden sind?»
«Mein Vater, meine Mutter und zwei Männer, die für uns arbeiten.Außerdem waren noch sieben Kunden da. Er ist brutal. Er hat eine Frau geschlagen, weil sie geweint hat.»
«Und wie konnten Sie entwischen?»
«Als er sich einmal umgedreht hat, habe ich mich hinter einem Regal versteckt. Dann bin ich bis zur Kellertreppe gekrochen. Ich glaube, er hat nicht einmal gemerkt, dass jemand fehlt.»
«Und dann?»
«Vom Keller bin ich in den Hinterhof gegangen. Von dort konnte ich ins Nachbarhaus fliehen.»
«Sie sprechen sehr gut deutsch», sagte Marthaler.
«Ja, ich bin schon hier zur Schule gegangen», antwortete sie.
«Ich werde uns einen Streifenwagen bestellen, der uns zurück in die Kaiserstraße bringt. Sie müssen uns helfen. Wir brauchen einen genauen Plan des Geschäfts. Wir müssen alle Räume kennen und wissen, wo es Türen und Fenster gibt.»
Wieder begann Kim Na-Bi zu weinen. «Werden Sie meinen Vater und meine Mutter befreien?», fragte sie.
«Ja», sagte Marthaler. «Wir werden alles tun, um Ihre Eltern zu retten.»
Zwölf
Als sie das Yuan Fa wieder erreicht hatten, ging Marthaler um den Wagen herum, öffnete die Tür und half dem Mädchen heraus. Dann rief er nach Kerstin Henschel.
«Das ist Kim Na-Bi», sagte er. «Sie ist die Tochter der Ladenbesitzer. Sie will uns helfen. Kannst du dich um sie kümmern?»
«Mach ich», sagte Kerstin Henschel. Dann zeigte sie mit dem Kopf in Richtung der Sonnenschirme, wo Marthaler jetzt eine größere Gruppe von Leuten an den Tischen sitzen sah, die von Liebmann und Döring befragt wurde. «Er hat alle Kunden rausgelassen. Jetzt sind nur noch die Inhaber und die Angestellten drin. Und Valerie Rochard. Wahrscheinlich hat erAngst gehabt, nicht alle in Schach halten zu können.»
«Gut. Sonst noch was?», fragte Marthaler.
«Ja. Charlotte und Eissler sitzen drüben in dem Vito. Sie warten auf dich.»
Marthaler ging zu dem Kleinbus, in dessen hinterem Teil sich die Chefin beider Mordkommissionen und der Polizeipräsident gegenübersaßen.
Gabriel Eissler hatte seine randlose Brille in die Stirn geschoben und rieb sich die Nasenwurzel.Auch er wirkte nervös und übernächtigt.
Charlotte von Wangenheim rückte ein wenig zur Seite, um Marthaler Platz zu machen.
«Gibt es Neuigkeiten aus Wiesental? Habt ihr Nachricht vom SEK?»
Marthalers Chefin nickte.
«Und?»
«Sie haben Niehoff gefunden. Er saß auf der Terrasse in einem Sessel. Vor ihm aufdem Tisch stand eine Kanne mit Tee. Es sah aus, als würde er schlafen.»
«Aber es sah nur so aus?»
«Ja. Er war tot. Wahrscheinlich hat er sich vergiftet.»
Marthaler schloss kurz die Augen. «Dann hat er also doch recht behalten.»
«Womit?»
«Dass ich der Letzte war, der Gelegenheit hatte, sich mit ihm zu unterhalten.»
«Gut», sagte Eissler. «Das alles werden wir später aufarbeiten. Jetzt müssen wir uns auf die Situation vor Ort konzentrieren.»
«Hat Pavelic schon Forderungen gestellt?», fragte Marthaler. «Hat er den entlassenen Geiseln eine Nachricht mitgegeben?»
«Nein», sagte Eissler, «bislang hat er noch keinen Versuch gemacht, mit uns Kontakt aufzunehmen. Wir vermuten, dass er immer noch hofft, irgendein Schlupfloch zu finden, durch das er fliehen kann.»
«Sollten wir nicht langsam von uns aus versuchen, mit ihm zu reden?»
«Wir wollten warten, bis du da bist, um unser weiteres Vorgehen mit dir abzusprechen», sagte Charlotte. Dann wechselte sie einen raschen Blick mit dem Polizeipräsidenten.
«Was ist?», fragte Marthaler. «Wie ist der Plan? Den Laden stürmen zu lassen?»
Eisslerhob beschwichtigend die Hand. «Jedenfalls werden wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um das zu vermeiden», sagte er.
Marthaler sah den obersten Frankfurter Polizisten
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