Partitur des Todes
Sie sind!», sagte Marthaler leise.
DerAlte ließ sich zurücksinken.«Sie haben recht. Ich brauche keinen Tee mehr. Ich brauche nichts mehr.»
«Sie haben die Morde auf dem Boot nicht selbst begangen. Sie haben auch Eva Helberger und Oliver Frantisek nicht selbst getötet…»
Wieder kicherte derAlte. «Nein.Es gibt Männer, die man mieten kann… Man gibtihnen Geld, und sie erledigen dieAufträge, dieman ihnen gibt.Aber wem erzähle ich das? Allerdings habe ich den falschen Mann beauftragt. Ich hatte einen Profi verlangt, bekommen habe ich stattdessen einen grobschlächtigen Pfuscher… Leider hatte ich keine Zeit, die Sache zu überwachen. Ich war in den letzten Tagen die meiste Zeit auf einem Ärztekongress. Nur einmal musste ich zurückkommen, umein kleines Verhör durchzuführen…»
«Also befindet sich Valerie Rochard hier im Haus. Sagen Sie mir, wo sie ist! Führen Sie mich zu ihr!»
Plötzlich erstarrte Marthaler. Er hörte, wie vor dem Haus ein Motor gestartet wurde.
«Verdammt!», schrie er. «So ein verdammter Mist!»
Er ließ Niehoff in seinem Sessel sitzen, lief ins Innere des Hauses und sah durch das Fenster, wie sich der blaue VW California auf der Straße entfernte.
Entweder befand sich Valerie Rochard noch im Haus, oder sie wurde gerade in dem Wohnmobil abtransportiert. Marthaler gab sich eine Sekunde, um zu entscheiden, welche der beiden Möglichkeiten wahrscheinlicher war. Er überlegte kurz, dann spurtete er los. Zwei Minuten später hatte er den Volvo erreicht. Er drehte den Zündschlüssel und fuhr los. Dann drückte er die Wiederholtaste seines Mobiltelefons und wartete, bis Charlotte von Wangenheim sich meldete.
«Der Typ ist mir entwischt…»
«Niehoff?»
«Nein,nicht Niehoff… sondernunser Mörder. Er ist in Frantiseks blauem Camper unterwegs. Ich versuche, ihn zu verfolgen. Ihr müsst sofort eine Großfahndung auslösen. Wahrscheinlich ist er mit Valerie Rochard unterwegs…»
«Robert… bist du noch da?»
«Ja… wo bleibt das SEK? Sie sollen Niehoff festnehmen.Wir wollen ihn lebend haben!»
«Robert, wir haben den Namen unseres Killers. Er heißt Pavelic. Stipe Pavelic. Er darf uns nicht entwischen.»
Elf
Zweimal war es Marthaler noch gelungen, in Sichtweite des Wohnmobils zu gelangen. Pavelic war nicht in Richtung Autobahn gefahren, sondern in den Taunus. Nach drei Kilometern hatte er die Bundesstraße verlassen und war nach links abgebogen. Über Kransberg hatte er die kleine Landstraße nach Pfaffenwiesbach und Wehrheim genommen. Marthaler erinnerte sich, dass Tereza und er im vorigen Jahr dieselbe Strecke mit ihren Rädern gefahren waren.
Auf der steilen Abfahrt über die Saalburgchaussee hatte Marthaler den blauen Camper fast erreicht. Dann hatte er an einer Kreuzung stoppen müssen. Hinter Bad Homburg war ihm das Fluchtfahrzeug endgültig entwischt. Stipe Pavelic war auf dieA661 nach Frankfurt gefahrenund im Strom der Fahrzeuge verschwunden.
Marthaler steuerte den Volvo an den Straßenrand. Er achtete nicht auf dieAutos, die hupend an ihm vorbeifuhren. Er stieg aus dem Wagen und setzte sich auf die Leitplanke. Er wählte die Nummer der Einsatzleitung und gab seinen Standort durch. «Egal, was ihr macht», sagte er, «das Leben Valerie Rochards hat höchste Priorität.» Dann zog er seine Zigaretten hervor und steckte sich eine an.
Wieso Pavelic?, dachte er. Was hat der Ex-Mann der Striptease-Tänzerin mit der Partitur zu tun? Und was mit Horst Niehoff? Marthaler versuchte, sich alle Zusammenhänge, die sie bislang ermittelt hatten, ins Gedächtnis zu rufen. Noch einmal ging er Schritt für Schritt durch, was Barbara Pavelic ihm erzählt hatte.
Schließlich glaubte er zu begreifen. Als er sich der Innenstadt näherte, hörte er von überall her die Martinshörner der Einsatzfahrzeuge. Er schaltete dasAutoradio ein.Auf HR 3 hatte man das Programm unterbrochen. Unentwegt wurden Warnhinweise an die Bevölkerung durchgegeben. DieAutofahrer wurden gebeten, den Bereich der Frankfurter City weiträumig zu umfahren. Die Bewohner sollten in ihren Häusern bleiben, dieAngestellten in ihren Büros.
Kurz vor dem Börneplatz staute sich der Verkehr. Fünfzig Meter weiter sah er die Blaulichter der Streifenwagen. Die Kreuzung war bereits gesperrt. Er ließ den Volvo auf der rechten Spur stehen und lief zwischen den Autos hindurch, bis er auf den ersten Schutzpolizisten traf. Er zeigte seinen Ausweis.
«Was ist?», fragte er. «Wisst ihr, wo der Mann sich
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