Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
Vom Netzwerk:
herausgerutscht, der Kopf zeigt seitlich nach unten. Der rechteArm hängt in den Gang, die linke Hand ruht in ihrem Schoß. Einschuss inder rechten Schläfe. RiesigeAusschusswunde auf der linken Seite. Es sieht aus, als ob ihr Hirn… ach, verflucht!»
    Marthaler kniff die Lider zusammen. Er atmete mehrmals tief durch. Erst dann sprach er weiter.
    «Ihre Brille ist verrutscht. Ihr gegenüber am selben Tisch ein Mann. Sein Gesicht kann ich nicht sehen. Graues Haar. Wohl etwa imAlter wie die Frau, möglicherweise etwas älter. Beigefarbener Blouson, dunkelbraune Stoffhose. Rentnerkleidung. Der Mann kauert in der Bank, dem Raumabgewandt, dieArme über dem Gesicht und dem vorderen Teil des Kopfes verschränkt. Es sieht aus,als habe er sich verkriechen wollen, als habe er sich schützen wollen. Man hat ihm direkt von oben in die Schädeldecke geschossen.Auf dem Tisch liegen zwei Mobiltelefone und eine schwarze Herrentasche mit einer Handgelenkschlaufe. Es stehen zwei kleine Teller auf dem Tisch mit… ich weiß nicht, mit was… mit Essensresten. Und zwei Teegläser. Nachtrag:Auf der Bank neben der Frau ebenfalls eine Handtasche, groß, beige. Die Tasche steht auf einem Kleidungsstück, vielleicht einerArt Regenjacke.»
    Marthaler arbeitete schnell und konzentriert. Wie immer, wenn er mit einem neuen Fall befasst war, vergaß er alles, was um ihn herum vorging.All seine Sinnewaren darauf ausgerichtet,jede Einzelheit des Tatortes in sich aufzunehmen.Nichts, was von Bedeutung war, sollte ihm entgehen.
    So hatte er auch jetzt nicht gehört, dass jemand an Bord gekommen war. Erschrocken fuhr er herum, als er hinter sich eine Stimme hörte.
    «Verdammt nochmal, Robert, was treibst du hier?» Es war Walter Schilling, der Chef der Spurensicherung. «Kannst du mir sagen, was das soll? Kannst du nicht warten, bis wir unsere Arbeit getan haben?»
    Einen Moment lang fühlte sich Marthaler wie ein Kind, das man beim heimlichen Naschen erwischt hatte.
    «Verdammt, Walter. Willst du, dass ich einen Herzinfarkt kriege?»
    «Ich will, dass du hier verschwindest, aber schleunigst», erwiderte Schilling.
    «Fünf Minuten. Ich bin gleich fertig. Gib mir noch fünf Minuten, bitte!»
    Walter Schilling wusste, dass es wenig Zweck hatte, gegen Marthalers Starrsinn zu argumentieren. «Fünf Minuten», sagte er, «keine Sekunde länger! Und bitte: Fass nichts an, trampel hier nicht rum! Und noch etwas, Robert…»
    «Was?»
    «Das nächste Mal möchte ich umgehend von euch benachrichtigt werden. Und nicht zufällig aus der Zentrale erfahren, dass hier irgendwo ein dicker Fall auf mich wartet. Ist das klar? Und sollte das noch einmal schiefgehen, werde ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen dich einreichen, hast du verstanden?»
    Marthaler sah seinem Kollegen nach. Im nächstenAugenblick hatte er ihn bereits vergessen. Wieder wandte er sich dem Gastraum zu, wieder sprach er in sein Diktaphon.
    «Das letzte Opfer. Ein Mann.Anscheinend saß er am letzten Tisch rechts, zur Uferseite hin.Auf dem Tisch zwei Teller und zweiBestecke. Jetzt liegt der Mann im Gang, Kopf und Oberkörper in einer riesigen Blutlache, der Kopf nach rechts gedreht. Der Mann liegt auf dem Rücken. Er ist zwischen einsfünfundsiebzig und einsachtzig groß, kräftiger Typ, längeres Haar, brünett mit grauen Strähnen, hohe Stirn. Dürfte etwa fünfzig sein, vielleicht jünger. Hellblaues Hemd, dunkelgrauer, lässigerAnzug. Wirkt ein wenig ungepflegt – soweit man das in diesem Zustand sagen kann.Alles in diesemBereich ist voller Blut, der Boden, der Tisch, die Bank, überall Blutspritzer an den Wänden, auch ander Tür, die zum vorderen Teil des Bootes führt. Die Glasscheibe dieser Türist zerbrochen. Es liegen Glasscherben auf dem Boden. Man siehtblutige Sohlenabdrücke, die aberauch von den Sanitätern stammen können. Es sieht… grauenhaft aus.»
    Er ging in die Hocke und schaute dem Toten ins Gesicht.Plötzlich stutzte er. Der Mann kam ihm bekannt vor. Er erinnerte ihn an jemanden. Marthaler schlosskurz die Augen, um zu überlegen. Vergeblich versuchte er, sich das toteGesicht lebendig vorzustellen. Vorsichtig hob er den Kopf des Opfers ein wenig an, ließ ihn aber noch im selben Moment wieder zu Boden sinken. Er stand auf und atmete durch. Er brauchte einen Moment, um seine Nerven unter Kontrolle zu bringen, dann diktierte er weiter.
    «Der Hals des Mannes ist auf der rechten Seite aufgerissen, wie es aussieht, durch einen Schuss. Wahrscheinlich wurde die Halsschlagader

Weitere Kostenlose Bücher