Partitur des Todes
Dienst fernbleiben.»
«Robert, ich habe keineAhnung, wo er ist, aber ich werde es herausfinden. Im Moment können wir nicht mehr machen. Deshalb schlage ich vor, dass wir jetzt einfach anfangen.»
Marthaler nippte an seinem Kaffee und wartete.Als niemand mehr etwas zu dem Thema sagen wollte, begann er mit seinem Bericht.
«Fünf Tote. Wahrscheinlich zwei Paare und ein einzelner Mann. Ich nehme an, sie alle waren Gäste von Sultans Imbiss. Sie wurden erschossen. Vier Kopfschüsse. Der einzelne Mann hat eine Verletzung amHals und einen Schuss in den Oberkörper abbekommen. Vielleicht ist er verblutet, vielleicht ist er auch ins Herz getroffen worden.»
«Weiß man schon, wer die Opfer sind?», fragte Döring.
«Nein.Aber ich denke, das wirdsich rasch klären lassen.Ich hoffe, dass Schillingund seine LeuteAusweispapiere finden.»
«Das heißt, du gehst nicht von einem Raubmord aus?», fragte Kerstin Henschel.
Marthaler machte eine hilflose Geste. Es war zu früh, um über ein Motiv zu spekulieren, trotzdem war es wichtig, sich rasch eine Vorstellung davon zu machen, was der Mörder mit seiner Tat bezweckt haben könnte.
«Ich habe Schmuck und Handys gesehen. Es gab Handtaschen, die nicht aussahen, als habe sie jemand durchsucht. Nein, es wirkte nicht wie ein Raubmord. Jedenfalls nicht wie ein gewöhnlicher. Nicht wie einer, bei dem jemand aufGeld oder Wertsachen aus war.»
«Hast du eine Vorstellung, wann es passiert sein könnte?»
«Ein paar Stunden ist es sicher her. Das Blut des Mannes war bereits angetrocknet. Ich würde sagen: nicht vor zweiundzwanzig Uhr gestern Abend, aber auch nicht nach Mitternacht.»
«Dann ist der Täter längst über alle Berge. Jetzt noch eine Ringfahndung einzuleiten, würde also nichts bringen.»
«Nein, sicher nicht. Jedenfalls nicht, solange wir nicht wissen, wen wir überhaupt suchen. Dieser Mann mit der Halsverletzung…»
Marthaler brach mitten im Satz ab. Während auf dem Main langsam ein Lastkahn vorüberzog, starrte er durch die offene Tür des Zeltes hinüber auf die Häuser am anderen Ufer.Aber er schaute mit stierem Blick, ohne etwas zu sehen.
«Robert…»
«Was?»
«Du wolltest etwas sagen.»
«Ja, entschuldigt. Ich wollte sagen, dieser Mann kam mirbekannt vor.»
«Du kennst ihn?»
«Nein, das ist es nicht. Es ist, als hätte ich ihn vor langer Zeit einmal gekannt. Wie einen ehemaligen Freund, den man seit sehr vielen Jahren aus den Augen verloren hat. Und an den man fast ebenso lange nicht mehr gedacht hat.»
«Jemand, mit dem du studiert hast?», fragte Kerstin Henschel weiter.
«Ja. Ich weiß nicht. Jedenfalls ein Gesicht aus der Vergangenheit.»
«Gut. Dann überleg weiter. Vielleicht erfahren wir schon bald von Schilling die Lösung. Meinst du, die Leute haben sich untereinander gekannt?», fragte Sven Liebmann.
Marthaler dachte einen Moment über die Frage nach.Aber je länger er versuchte,sich darüber klar zu werden, desto unsicherer wurde er.
«Nein», sagte er schließlich. «Mein erster Eindruck war der: Da sind zwei Paare und ein Mann. Drei Parteien, die nichts miteinander zu tun haben.»
«Das heißt?», wollte Liebmann wissen.Als niemand reagierte, gab er sich selbst dieAntwort: «Das heißt, sie haben zufällig dort zusammengesessen. Sie haben gegessen und getrunken und sind dann genauso zufällig zu Opfern eines Verbrechens geworden. Was soll das für einen Sinn ergeben?»
«Es kann durchaus Sinn ergeben», widersprach Kerstin Henschel. «Was du sagst, muss nicht für alle stimmen. Einen muss der Mörder gemeint haben. Mindestens auf einen muss es ihm angekommen sein.»
Kai Döring war aufgestanden. Unruhig ging er in dem kleinen Zelt auf und ab. Wie immer, wenn er seine Erregung nicht unterdrücken konnte, sah man seine Sommersprossen leuchten.
«Was soll das alles? Wir ergehen uns in Spekulationen. Wir sitzen hier rum und reden und reden, während ein Mörder frei herumläuft. Vielleicht waren es sogar zwei oder drei Täter. Das alles können wir nicht wissen.Also lasst uns endlich etwas tun.»
«Nein», erwiderte Marthaler. «Wir sollten uns die Zeit nehmen, einen Moment darüber nachzudenken. Da draußen herrscht schon genug Lärm und Hektik. Und wenn wir hier gleich rauskommen, wird es noch schlimmer werden. Die Journalisten werden sich auf uns stürzen. Für ein paar Minuten müssen wir uns noch zur Ruhe zwingen.»
«Was ist eigentlich mit dem Wirt? Mit dem Betreiber von Sultans Imbiss?», fragte Kerstin Henschel.
«Genau
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