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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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Rohrbachstraße und Martin-Luther-Straße einander kreuzten, hielt er an.
    Die Verkäuferin mit ihrer grünen Schürze kam aus dem Hinterraum und strich sich mit dem Handrücken eineHaarsträhne aus dem Gesicht. Sie bemerkte seine Ratlosigkeit. «Für welchen Anlass soll’s denn sein?»
    «Für eine Frau!», sagte er.
    Sie lächelte. «Das ist meistens so, wenn ein Mann Blumen kauft. Für die Ehefrau, für Ihre Mutter, für die Freundin? Zum Hochzeitstag? Zur Versöhnung? Oder einfach so?»
    «Für eine Kollegin zum Geburtstag.»
    «Und wie viel wollen Sie ausgeben?»
    Wieder konnte er sich nicht entscheiden. «Zehn?», fragte er unsicher.
    Als die Verkäuferin die Augenbrauen hob, erhöhte er auf fünfzehn.
    «Und eilig haben Sie’s wahrscheinlich auch noch?»
    «So ist es.»
    «Wie wär’s dann mit einem von unseren Gute-Laune-Sträußen? Die sind bunt und freundlich und sehen nach was aus. Die werden im Moment gerne genommen.»
    «Geben Sie mir zwei.»
    «Hat noch eine Kollegin Geburtstag?»
    Statt zu antworten, legte er dreißig Euro auf den Tresen und bedankte sich. Ein paar Minuten später betrat er das Weiße Haus. Einen der Blumensträuße hatte er imAuto liegen lassen, den anderen hielt er in der Hand. Er öffnete die Tür zumZimmer seiner Sekretärin. Elvira sah ihn an, öffnete ungläubig den Mund, dann bekam sie einen Lachanfall.
    «Robert… entschuldige. Ich glaub’s nicht…»
    Marthaler ließ dieArme sinken. Er wusste nicht, was los war. Elvira hatte Tränen in den Augen. Sie stand auf, kam zu ihm und schob ihn – immer noch kichernd wie ein Schulmädchen – ins Zimmer. Sie schloss die Tür und zeigte auf den Boden. Dort standen nebeneinander fünf Blumenvasen. In jeder steckte ein Gute-Laune-Strauß. Sie alle sahen vollkommen gleich aus.
    «Jetzt verstehe ich, was die Verkäuferin gemeint hat», sagte Marthaler. «Sie hat gesagt, dass diese Blumen im Moment gerne genommen werden. Trotzdem wünsche ich dir alles Gute!»
    Elvira wischte sich die Tränen von den Wangen. «Setz dich an deinen Schreibtisch und mach dieAugen zu. Warte, bis ich zurück bin und dir sage, dass du sie wieder aufmachen sollst.»
    «Elvira, bitte!Auch wenn du Geburtstag hast, wir haben keine Zeit für Spielchen…»
    «Keine Widerworte. Mach, was ich dir sage, es dauert nicht lang.»
    Marthaler wartete. Zwei Minuten später war seine Sekretärin zurück, in der einen Hand eine Tasse Kaffee, in der anderen einen Teller mit Kuchen.
    «Du hast nicht etwa…»
    «Joghurttorte mit Himbeeren.Aber sag nur, wenn du nicht willst, dann trag ich sie wieder raus. Es findet sich bestimmt ein Abnehmer.»
    Elvira wusste, dass er nicht würde widerstehen können. Es gab keine Süßspeise, die ihr Chef lieber mochte als ihre selbst gebackenen Torten. Sie stellte den Teller auf seinen Schreibtisch und reichte ihm den Kaffee. «In der Post liegt ein Brief von Manfred Petersen. Lies ihn erst, wenn du deinen Kuchen gegessen hast. Sonst verschlägt es dir womöglich den Appetit.»
    Während Elvira das Büro verließ und die Tür hinter sich schloss, nahm Marthaler eine erste Gabel von der Torte. Mit der anderen Hand blätterte er den Poststapel durch. Er zog den Brief seines Kollegen heraus und begann zu lesen: «Lieber Robert, liebe Kollegen der MK I, hiermit bitte ich um eine Beurlaubung auf unbestimmte Zeit. Es hat sich etwas ereignet, über das ich im Moment nicht reden kann, das ich Euch aber beizeiten erklären werde. Sollte man meiner Bitte nicht nachkommen wollen, dürft Ihr dieses Schreiben als eine fristlose Kündigung auffassen. Mit freundlichen Grüßen, Euer Manfred Petersen.»
    Ansatzlos begann Marthaler zuschreien. «Verdammt, Elvira, was soll das?» Er sprang auf und riss die Tür zum Vorzimmer auf. «Wo ist Petersen? Ich will ihn sofort sprechen! Schaff ihn mir herbei!»
    Elvira machte eine bedauernde Geste. «Er ist nicht zu erreichen. Der Brief kam mit der Post.»
    Marthaler stürmte auf den Gang. «Kerstin!», brüllte er. «Sofort in mein Büro!»
    Kurz darauf stand Kerstin Henschel vor Marthalers Schreibtisch. Sie sah ihn schweigend an.Als er sich ein wenig beruhigt hatte, begann sie zu sprechen: «So nicht, Robert! Egal,was geschehen ist, ich verbitte mir diesen Ton. Wir sind nicht auf dem Kasernenhof. Und auch, wenn du mein Vorgesetzter bist, habe ich ein Recht darauf, dass man normal mit mir spricht. Und jetzt erzähl, was du von mir willst.»
    Er reichte ihr das Schreiben. Sie las es durch und schüttelte den Kopf.

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