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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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angerufen und ihr Treffen auf den spätenAbend verschoben. Während der Fahrt hatte sie fast ununterbrochen telefoniert. Immer wieder liefen in der Redaktion neue Anfragen ein. Ihr Terminkalender für die nächsten Tage war bereits bis auf die letzte Minute gefüllt.
    Als sie in Frankfurt ankam, hatte sie gerade noch Zeit, ihr Gepäck ins Hotel zu bringen. Dann rief sie ein Taxi und ließ sich zu Sultans Imbiss bringen.Aus Paris war sie es gewohnt, dass jede Fahrt durch die Stadt unendlich lange dauerte. Jetzt wunderte sie sich, dass sie ihr Ziel bereits nach zehn Minuten erreicht hatte.
    Als siedas Restaurantboot betrat, sah sie am Ende des kleinen Gastraums einen Mann sitzen, der ihr zuwinkte. Herr Morlang begrüßte sie freundlich. Er war ein rundlicher Mann mittleren Alters, und er lächelte unentwegt. Obwohl er ein wenig ungepflegt wirkte, war er ihr sofort sympathisch. Ein paar Minuten lang tauschten sie Belanglosigkeiten aus, dann kam der junge Wirt und fragte nach ihrer Bestellung.Da sie beide so spät keine große Mahlzeit mehr essen wollten, bestellten sie eine Platte mit gemischten türkischen Vorspeisen.
    «Was möchten Sie trinken?», fragte Herr Morlang.
    «Ein Glas Rotwein wäre nicht schlecht», sagte sie.
    «Eine gute Idee», antwortete er. «Aber Sie müssen ihn auswählen, Sie sind die Französin. Erkan wird Ihnen zeigen, was sein Weinkeller zu bieten hat.»
    Der Wirt hatte ihr zugezwinkert und sie gebeten, ihm zu folgen.
    Dann war etwas passiert.
    Sie war gerade von ihrem Platz aufgestanden, als ein dunkelgekleideter Mann dasBoot betreten hatte. SeineAugen waren hinter einer merkwürdigen großenBrille verborgen, die fast aussah wie ein kleines Fernglas. Er hatte eine Pistole in der Hand. Er war geradewegs auf sie zugekommen. Valerie hatte gelacht. Das Ganze hatte so albern ausgesehen, dass sie es einen Moment lang für einen Scherz gehalten hatte. Herr Morlang war aufgestanden und hatte sich in dieMitte des Gangs gestellt.
    «Was soll das?», hatte er gefragt.
    Dann waren zwei Schüsse gefallen.Achim Morlang war blutend zu Boden gegangen.
    Was anschließend geschehen war, wusste sie nicht. Erkan hatte die Tür zum vorderen Teil des Bootes geöffnet und sie in den kleinen Vorratsraum gezerrt. Sie hatte sich in die Ecke zwischen ein paar Eimer verkrochen, hatte sich auf den Boden gekauert, die Augen geschlossen, das Gesicht der Wand zugekehrt und gehofft, dass ihr nichts passieren würde. Sie hatte unterdrückte Schreie gehört, wieder Schüsse und ein lautes Stöhnen. Vor allem aber erinnerte siesich daran, wie sie selbst vorAngst gewimmert hatte. Dann herrschte Stille.Als sie dieAugen öffnete, war es dunkel auf dem Boot gewesen.Alle Lampen waren ausgeschaltet.
    Nichts hatte sich geregt. Sie hatte das Geräusch des Wassers gehört, das gegen die Bootswand schwappte und ab und zu ein Auto,das auf der Straße vorüberfuhr.Als sie sich hatte umdrehen wollen, hatte sie bemerkt, dass jemand hinter ihr stand. Sie hatte einen Luftzug gespürt. Dann war es gewesen, als ob ihre Schädeldecke platzen wollte. Wie lange war das alles her? Ein paar Stunden? Einen Tag? Zwei Tage? Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren.
    Erst jetzt öffnete sie die Lider. IhreAugen brannten. Sie lag auf dem Rücken. Unter ihr eine Matratze, die nach Moder roch. Das Erste, was sie sah, war über ihrem Kopf die fleckige Betondecke, unter der zwei dicke, braune Rohre entlangführten.
    Valerie hatte starke Kopfschmerzen. Sie fasste sich an die Schläfe und spürte die große Schwellung. Dann drehte sie sich auf die Seite. Der Raum war groß und nur spärlich beleuchtet. Ein Fenster schien es nicht zu geben. Sie entdecktedie kleine Lampe über der Tür, ein gläsernes Oval hinter einem Drahtgitter. Dann wandte sie sich umund schaute zum gegenüberliegenden Ende des Raums. Noch eine Tür mit einer ebensolchen schwachen Lampe darüber.Als sie versuchte aufzustehen, wurde ihr schwarz vorAugen. Ihre Beine gaben nach.
    Nach einer Minute versuchte sie es erneut. Mit beiden Händen stützte sie sich am rauen Putz der Wand ab. Ihre Knie zitterten. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen und machte sich daran, den Raum zu inspizieren.
    Plötzlich zuckte sie vor Schreck zusammen. Sie war gegen eine Plastikflasche mit Mineralwasser gestoßen, die jetzt über den Boden rollte.
    Man hat mir Wasser gebracht, damit ich nicht verdurste, dachte sie. Was auch immer man von mir will, man will mich lebend. Sie bückte sich, hob die Flasche auf,

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