Partitur des Todes
aufwachen. Bislang war es ihm immer gelungen. Zeit seines Lebens hatte er keinen Wecker gebraucht. Er schloss die Augen und war eine Minute später eingeschlafen. Frantisek schaute auf das beleuchtete Display seiner Uhr. Es war 2.46Uhr, Sonntagmorgen, der 5.Juni 2005.Draußen war es dunkel. Er zog sich an und setzte sich auf den Fahrersitz. Dann ließ er die Scheibe herunter und lauschte in die Nacht.Alles war vollkommen ruhig. Er startete den Motor, schaltete die Scheinwerfer ein und bog aus dem Feldweg auf die Straße. Ein paar Minuten später hatte er das Ortsschild von Kronberg erreicht. Er stellte das Wohnmobil auf denselben Parkplatz wie schon ein paar Stunden zuvor, als er die Örtlichkeiten erkundet hatte. BeimAussteigen hörte er eine Kirchturmuhr im alten Ort dreimal schlagen. Er nahm das Werkzeug, das er am Nachmittag in Köln gekauft hatte und machte sich auf den Weg. Er hoffte, dass er das Wenigste davon brauchen würde.
Die Burgerstraße lag in einer alten, ruhigen Wohngegend zwischen Stadthalle und Ortsrand. Rechts und links der abschüssigen Fahrbahn standen kleine Villen und Einfamilienhäuser. Nirgendwo brannte ein Licht. Es gab keinen besseren Zeitpunkt, in ein Firmengebäude einzubrechen, als in der Nacht von Samstag auf Sonntag zwischen drei und vier Uhr morgens.
Die Villa der Sabana GmbH war schlechter gesichert, als er befürchtet hatte. Die Fenster im Erdgeschoss und im ersten Stock waren mit Rollläden verschlossen. Es gab eine Alarmanlage und Bewegungsmelder, deren Sensoren er umgehen konnte. Er kletterte auf die Mauer, die das Grundstück auf drei Seiten umgrenzte. Vorsichtig balancierend setzte er einen Fuß vor den anderen.Als er auf der Rückseite des Gebäudes angekommen war, sprang er hinunter und legte sich flach auf den Boden. Langsam robbte er auf die Hauswand zu, seinen Werkzeugkofferhinter sich herziehend. Immer wieder hielt er inne, um zu lauschen. Er ließ kurz seine Taschenlampe aufleuchten, um sich zu orientieren. Er sah eine Treppe, die von außen in den Keller führte. Der alte Eingang, den es hier einmal gegeben haben musste, war durch eine schwere Stahltür ersetzt worden. Zu beiden Seiten der Treppe gab es je ein Kellerfenster, das mit geschwungenen Eisengittern bewehrt war, die nachträglich angebracht worden waren.
Oliver Frantisek kroch auf das rechte der Fenster zu.Aufdem Bauch liegend, hob er dieArme, packte mit beiden Händen zu und rüttelte an dem Gitter. Es saß fest. Dann kroch er auf die andere Seite der Treppe und probierte es dort.
Wieder umklammerte er das Gitter und rüttelte daran.Als sich auch hier nichts rührte, kramte er die neuen Arbeitshandschuhe aus der Werkzeugtasche und zog sie sich über. Er legte sich auf den Rücken, schob seinen Hintern bis ganz an die Hauswand, stemmte seine Füße dagegen und griff durch seine Beine. So wurde die Muskulatur seiner Arme durch sein Körpergewicht und den Druck der Beine unterstützt. Dreimal versuchte er es vergeblich, dann spürte er durch das Leder der Handschuhe hindurch ein leichtes Knirschen, als sich das Metall der Gitterstäbe am Sand des Mörtels rieb. Oliver Frantisek hatte seinen Eingang indie Villa gefunden.
Er setzte den großen Meißel an,schlug dreimal rasch hintereinander mit dem schweren Fäustel zu, dann hielt er inne und schaute sich um.
Er wartete eine Minute, aber die Fenster der umliegenden Häuser blieben dunkel. Keiner der Nachbarn schien durch die dumpfen Schläge geweckt worden zu sein. Dann wiederholte er den Vorgang auf der anderen Seite des Gitters. Drei kurze Schläge, dann eine Pause.
Nach dem zweiten Durchgang war auf jeder Seite der Fenstereinfassung ein Brocken Sandstein aus der Wand gebrochen. Das Gitter hatte sich bereits deutlich gelockert. Noch ein paar Mal musste er daran reißen, dann brach es heraus. Wer auch immer es angebracht hatte, er hatte seinen Lohn nicht verdient.
Frantisek nahm den Glasschneider und fuhr damit auf allen vier Seiten an den Innenkanten des Fensterrahmens entlang. Dann setzte er die Saugglocke an und löste die Scheibe vorsichtig heraus.Als er versuchte, durch die entstandene Öffnung zu kriechen, merkte er, dass sie zu eng war. Noch einmal musste er sich an die Arbeit machen.
Mit einem Brecheisen gelang esihm, den Fensterrahmenzu lösen. Zentimeter für Zentimeter hebelte er das Holz aus seiner Verankerung. Zehn Minuten später lagen die zersplitterten Leisten vor ihm auf dem Boden.
Er nahm die Taschenlampe, ließ den Rest des Werkzeugs
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