Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
hab Angst, dass mir schlecht wird.«
Die beiden Männer kannten sich von Kindesbeinen an. Sie hatten miteinander gespielt, miteinander gelernt, miteinander die wesentlichen pubertären Probleme gemeistert. Sie waren wie Brüder und blieben es auch, als sie verschiedene Wege einschlugen. Der eine studierte Musik, wurde Dirigent und machte eine Weltkarriere, der andere ging auf die Kunstakademie, galt von Anbeginn an als kommender Star, konnte dieser Erwartung aber nicht ganz entsprechen.
Der Dirigent, der viel von diesem Maler hielt, begriff nicht, woran es lag, dass der Freund den, wie es so schön heißt, »internationalen Durchbruch« nicht schaffte. Und am Ende der Analyse war er immer froh, Dirigent und kein Komponist zu sein.
Die entschlussreife Erwägung der beiden Hobby-Tennisspieler, es sein zu lassen, ging über in eine nostalgische Plauderei über die vielen gemeinsamen Lebensstationen. Sie nahmen einander auf den Arm, aber die Art, wie sie darüber lachten, verriet eindeutig, das war eine echte Freundschaft.
Im Zuge der Anekdotenerzählerei landete der Maler beim dritten Bier und beim zweiten Schnaps. So ging die Vergangenheitsbewältigung – durch ihn angeregt – immer mehr ins Ernste. Er erzählte, wie sehr er sich in der Karriere des Dirigenten mitgesonnt hatte, wie wichtig es für ihn war, nach großen Opernpremieren oder Konzerten an dessen Seite zu sein und zu genießen, als engster Freund und »großer Maler« bekannt gemacht zu werden.
»Eines muss dir klar sein. Ich war immer eifersüchtig.«
»Du hast es dir nie anmerken lassen.«
»Deine Frau kannst du leider nicht mehr fragen. Sie hat es gespürt. Und ich habe gespürt, dass sie es spürt.«
Die Frau des Dirigenten war – gleichaltrig mit ihrem Mann – vor vier Jahren nach langem Lungenleiden gestorben. Sie war von Beruf Musiklehrerin am Gymnasium gewesen und hatte, nach der Pensionierung, einen überaus erfolgreichen Jugendchor gegründet.
»Großartig, wie du den Verlust weggesteckt hast. Sie war eine große Frau.«
Damit war das Bilanzgespräch bei Frau, Frauen und Frauengeschichten angelangt. Obwohl der Dirigent keinen Alkohol trank, ließ er sich von der Unbedenklichkeit des immer betrunkeneren Gegenübers anstecken.
An dieser Stelle muss angemerkt werden, warum der Dirigent nichts trank. Weil er Alkoholiker war. Weil vor vielen, vielen Jahren sein Generalmusikdirektor – er war damals noch 1. Kapellmeister – gesagt hatte: »Sie müssen sich entscheiden, Herr Kollege. Wollen Sie Karriere machen oder vor die Hunde gehen?«
Zur selben Zeit hatte seine Frau gedroht, ihn wegen des Saufens zu verlassen. Seine Beteuerungen, er hätte die Sache im Griff, hatte sie ihm widerlegt. Und als er kurz danach hörte, dass man im Orchester schon Witze über seine Formschwankungen machte, ging er zum Arzt. Der stellte nach einem Generalcheck fest, der interne Zustand sei schon langsam lebensbedrohlich. Das reichte. Er entschloss sich zu einer Entwöhnungskur und rührte danach keine Flasche mehr an. Nun, das stimmt so nicht. Er rührte sie selbstverständlich an, wenn Gäste da waren. Er offerierte die feinsten Destillate, schenkte auch ein, trank aber selbst keinen Schluck mehr.
So auch jetzt nicht, als der Malerfreund immer begeisterter von Amouren, Exzessen und Rosenkriegen erzählte. Dem Dirigenten war vieles nicht neu, aber die Begeisterung über das Geleistete und offenkundige Vollzähligkeit der Erinnerungen störte ihn. Er hatte das Gefühl, der Freund würde ihm jetzt, wo sie gemeinsam den Beschluss erwogen, alt zu sein, beweisen wollen, auf welchem Gebiet er der große Heroe gewesen war. Der Dirigent nahm den Wettbewerb an. Er erzählte von Sängerinnen, von Choristinnen, von Tänzerinnen, und zwar von Stockholm bis Buenos Aires und von London bis Tokio. Das Buffetrestaurant der kaum besuchten Tennishalle wurde zum seltsamen Schauplatz eines Machoduells.
»Und was weißt du von ihr?« Die Frage des Malers kam unerwartet und klang ein wenig tückisch.
Der Dirigent erzählte, er hätte einen ziemlich begründeten Verdacht gehabt, am Anfang, da wäre was mit einem jungen Deutschlehrer gewesen, sie hätte natürlich geleugnet, nein, sie hätte die Geschichte ins Harmlose gezogen. Ihn hätte sie an der langen Leine gelassen, weil sie wusste, in ihrer Nähe, in ihrem »Hoheitsbereich« würde er unter Garantie nichts anstellen. Sie hätte dann mit dem Beginn des Wechsels Interesse am Sex verloren, das Thema »Treue« sei nie zur
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