Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
diese junge Frau kennen. Sie betrat routinemäßig das Zweibettzimmer, in dem der Patient aufgrund seiner guten Zusatzversicherung liegen konnte und dessen zweites Bett zurzeit frei war, und traf die Freundin an. Die Frauen wurden miteinander bekannt gemacht, und die Ärztin hatte Mühe, sich nicht herausrutschen zu lassen: Sie hab ich schon einmal gesehen. Das war nämlich genau vor einer Woche gewesen, auf dem Parkplatz der Klinik. Da hatte ein Auto angehalten, eine junge Frau war auf der Beifahrerseite ausgestiegen, ein junger Mann auf der Fahrerseite. Und dann hatten sich diese beiden derartig abgeknutscht, dass es der Ärztin auffallen musste . Die dachte sich, es handelt sich um einen Abschied vor einer größeren Operation. Anders waren manche Handgriffe nicht erklärbar.
Jetzt stand sie also dieser Person gegenüber, die des Patienten Lebensglück bedeuten sollte. Sie ließ das Paar sehr rasch allein und hatte von dem Tag an große Mühe, dem Patienten bei seinen immer wieder einmal eingestreuten Schwärmereien über seine Zukünftige mit Pokerface zuzuhören. Es war die Zeit, in der ihr klar wurde, dass ihre eigene Ehe nur mehr von kurzer Dauer sein konnte. Und sie erwischte sich einige Male bei dem Gedanken, es wäre nicht uninteressant, den klugen, netten Patienten endlich einmal aufrecht zu sehen. Jetzt wusste sie genau, dass sie bei der Abschiedsbegegnung im Gang eine Sekunde daran gedacht hatte, den etwa Gleichaltrigen in seiner Zukunftsplanung unsicher zu machen. Wie der so vor ihr dastand, noch blass, aber doch eine erstklassige, in Jacke und Hose auch ungewohnte Erscheinung, hatte sie Lust, ihm zu sagen: Wenn Sie sich da nur nicht irren.
Das Dessert war gegessen. Sie war neugierig.
»Sie hatten damals vor zu heiraten. Was ist daraus geworden?«
Sie bemühte sich, die Frage möglichst beiläufig zu stellen. Er stieg aber voll ein.
»Das war die größere Katastrophe als meine Osteomyelitis. Die war schon während meiner Krankheit die Geliebte ihres Zahnarztes.« Er lachte. »Das ›ihres‹ hat da eine hübsche Doppelbedeutung. Ja und sie ist es nach unserer wunderschönen Hochzeit geblieben. Ich bin sehr lange nicht draufgekommen. Dann war natürlich rasch Schluss.«
Jetzt lachte auch sie: »Das war der Zahnarzt!?!«
»Welcher das?«
»Der Mann auf dem Parkplatz.«
Daraufhin erzählte sie ihm von ihren fraulichen, auch medizinischen Skrupeln.
»Vielleicht war das Gespräch am Gang zu kurz. Sie hatten es ja auch schon so eilig, ins Freie zu kommen, was ich verstanden habe. Aber wenn wir noch einen Kaffee getrunken hätten, hätte ich Ihnen die Geschichte wahrscheinlich erzählt. Ich kann’s nicht beschwören. Wie gesagt: Wahrscheinlich. Möglicherweise.«
»Das wäre gut gewesen. Aber ich hätte es vielleicht nicht – doch! Doch! Ihnen hätte ich geglaubt.«
Sie tranken. Nach einer Weile hatte er den Mut:
»Ich bin ungebunden. Allein. Sie?«
»Warum fragen Sie?«
»Das ist doch klar. Eine Lebensretterin lässt man doch ungern –«
»Mein lieber Freund! Ich bin für eine Zweierbeziehung nicht mehr geeignet. Ich bin sexuell gewissermaßen multitasking. Das ist nicht das, was Sie brauchen.«
»Ich soll Sie also nicht anrufen?«
»Nein.« Sie sah ihn liebevoll an. »Ich habe Ihnen einmal das Leben gerettet. Warum soll ich’s jetzt ruinieren?«
Er schwieg. Sie griff nach ihrer Handtasche.
»Wir sollten zahlen. Wir teilen.«
Er sagte: »Das ist nicht Ihr Ernst!«
Sie lächelte: »Nein.«
Sie stand auf, gab ihm einen Wangenkuss, ging in Richtung Tür, drehte sich noch einmal um und sagte: »Bleiben Sie gesund!«
Die Ungewissheit
»WIR SOLLTEN AUFHÖREN! Ich glaube, es ist langsam Zeit«, sagte ein etwa siebzigjähriger Mann, der gerade aus der Dusche der Tennishallengarderobe gekommen war. Obwohl er sich lange heiß und kalt abgespritzt hatte, trat jetzt immer noch Schweiß aus, atmete er immer noch überintensiv.
Sein angesprochener Partner saß erschöpft auf der Garderobenbank. Er war gleichaltrig, aber zum Unterschied von seinem langjährigen Gegner stämmig und übergewichtig.
»Und was statt Tennis?« Die Frage hatte etwas Melancholisches an sich.
Wieder angezogen gingen die beiden Herren ins Buffetrestaurant. Der eine bestellte sich Apfelsaft und Mineralwasser, der andere ein Bier und einen Korn.
»Schon am Vormittag?«
»Du hast mich mit deinem Vorschlag aufzuhören geschockt. Obwohl du recht hast. Ich geniere mich ja schon vor den Leuten am Nebenplatz.«
»Und ich
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