Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
Sprache gekommen, und dass er seine Frau sehr geliebt habe, sei von seinem Tourneeleben gänzlich unberührt geblieben.
»Wie hieß der Deutschprofessor?«
Der Dirigent nannte den Namen und sagte dazu, es wäre ein wirklich kluger und attraktiver junger Mann gewesen.
»Von dem weiß ich nichts.«
Der Dirigent begriff nicht, dass er das Thema akzeptierte. Er war total durcheinander. Was sollte das heißen: Von dem weiß ich nichts?
»Ja, von wem weißt du denn was?«
»Soll ich’s dir wirklich sagen?«
»Du musst.«
Da erzählte der Maler sehr präzise, dass des Dirigenten Frau, bevor sie mit der – mittlerweile mit einem Politiker verheirateten Mutter von zwei Kindern – schwanger wurde, zwei Jahre lang die Geliebte eines Journalisten war, eines politischen Leitartiklers. Sie hätte damals auch ernstlich erwogen, den Dirigenten zu verlassen.
Der zitterte.
»Wer hat dir das gesagt?«
»Sie.«
Der Dirigent sah blöde drein.
»Du warst in den Staaten, und sie hatte den ersten schlimmen Befund. Da hat sie mich angerufen, mich eingeladen, mit ihr ein Glas Wein zu trinken, sie wollte an diesem Abend nicht allein sein. Irgendwann habe ich einmal gefragt, ob’s ihr nichts ausgemacht hätte, ein Leben lang so oft allein zu sein. Da hat sie gesagt, so allein wäre sie nun auch nicht immer gewesen. Und dann hat sie mir ganz locker zwei Geschichten erzählt. Sie hat mir das Ehrenwort abgenommen, es dir nicht zu sagen. Aber ich glaube, sie wollte, dass es einer weiß, wenn sie nicht mehr da ist, sie wollte, dass du es dann erfährst.«
Der Dirigent konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
»Ich hab den Mann gekannt. Man hat sich hie und da gesehen. Auch miteinander geplaudert. Der hat mich sogar einmal in einem politischen Kommentar erwähnt. Nach ›Nabucco‹. Er hat da irgendeinen politischen Vergleich …«
Er drehte das Glas in seiner Hand. Wenn das jetzt Gin wäre, gnade mir Gott!, dachte er sich. Dann schoss es ihm ein:
»Du hast gesagt, zwei Geschichten.«
»Ja. Aber die zweite erzähle ich dir nicht.«
»Das kannst du nicht machen! Du kannst nicht was andeuten, und dann –«
»Wenn du darauf bestehst. Sie war drei Jahre – nein, das brauchst du nicht zu wissen.«
»Sag’s.«
Der Maler nahm einen tiefen Schluck. Er zelebrierte die Auskunft.
»Sie war drei Jahre lange mit …«
Der Dirigent meinte nicht recht zu hören. Das war doch der Name einer Frau. Einer Frau, die er auch gut kannte. Gekannt hatte. Es war eine liebe Freundin der Familie, eine junge, phantasievolle Architektin, die ihre erste und dann ihre große, zweite Wohnung, das wunderbare Penthouse, eingerichtet hatte, eine geschiedene, selbstbestimmte Frau mit zwei bezaubernden Kindern. Die hatte doch immer von einem Freund erzählt, in einer anderen Stadt, in die sie dann auch gezogen war, was den Kontakt abreißen ließ?
Der Dirigent konnte seine Fragen nicht mehr koordinieren. Der Maler beantwortete sie mit einem unterschwelligen Spaß an der Sache. Getrennt hätten sich die Frauen ein Jahr vor der Übersiedlung der Architektin, aber es wäre keine Trennung von heute auf morgen gewesen, sondern ein einjähriger Abschied.
In ihren Dispositionen wären sie virtuos gewesen. Ihr Treffpunkt war das in einer Stunde erreichbare Wellnesshotel, wo sie sich eben nicht nur verschönern ließen.
Der Dirigent begriff mühsam.
»Das hat sie dir alles erzählt?«
»Tut mir leid. Aber du hast es ja hören wollen.«
Der Dirigent rief »Zahlen!« und bezahlte wie immer für beide.
Zu Hause zertrat er zunächst einmal sein Tennisracket und stopfte die Trümmer zugleich mit Shirt, Socken, Tasche und Bällen in den Müll. Dann sagte er zwei Termine ab und ließ sich in den großen Fernsehfauteuil fallen. Seine Biografie war auf den Kopf gestellt. Er war ein betrogener Betrüger. Ein Hanswurst.
Er sprach mit sich. Ich habe doch damals, nachdem sie den Brief der Sopranistin … habe, quasi gebeichtet. Aber sie war nicht interessiert. Ich habe das für Größe gehalten. Ich habe das bewundert. Dabei war das nur ihre Mutlosigkeit aufgrund ihres eigenen Verhaltens. Sie hätte uns beide befreien können. Sie hat es nicht getan.
Wem hat sie es noch erzählt? Unserer Tochter? Nur ihm?
Der Tochter sicher nicht. Mutter und Tochter hatten kein Vertrauensverhältnis. Soll ich mein Kind fragen? Nein. Da würde ich es ihr ja sagen, falls sie es nicht weiß. Wie stünde ich vor ihr da?
Hat er es weitererzählt? Sie hat mich doch geliebt. Sie hat mich
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