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Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Titel: Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
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dass Sie sich melden«, sagte er, nachdem die Ärztin sich zu erkennen gegeben hatte.
    »Ich wollte mich erstens für den Dank bedanken, das ist ja nicht so häufig, zweitens will ich aus rein fachlichem Interesse wissen, was Ihnen gefehlt hat.«
    »Osteomyelitis. Zwei Herde.«
    »Das ist nicht angenehm. Aber daran stirbt man nicht. Was heißt: das Leben gerettet?«
    »Muss ich Ihnen das am Telefon sagen?«
    »Nein.«
    Sie trafen sich am übernächsten Abend – am darauffolgenden hatte sie Abenddienst – bei einem von ihm vorgeschlagenen Franzosen. Dass sie den großen, sportlichen, aber sonst in keiner Weise auffallenden Mann schon einmal gesehen hatte, wurde ihr bewusst. Aber noch war nichts erhellt. Seine Auskünfte mussten es bringen.
    »Was sind Sie eigentlich von Beruf?«
    »Lehrer. Am Gymnasium. Literatur und Sport. Als ich eingeliefert wurde, hatte ich meine erste Festanstellung vor mir. Ich hatte schreckliche Angst, dass ich nicht gesund werden könnte.«
    »Haben wir die Osteomyelitis diagnostiziert?«
    »Nein. Das haben die in meiner Heimatstadt getan. Ich hab mich damals nur erkundigt, wo die Experten für diese Krankheit sitzen. Da wurde mir Ihre Klinik genannt. Und auf der habe ich dann bestanden.«
    »Und bei uns sind Sie wieder gesund geworden. Sicher nach langer Zeit. Sicher unter großen Schmerzen, jedenfalls zu Beginn. Aber, bitte, noch einmal: Inwiefern ›Leben gerettet‹?«
    »Jetzt stoßen wir erst einmal an!«
    Er hatte einen Sancerre bestellt. Sie tranken. Das Amuse-Gueule war von ihm gegessen und von ihr zur Seite geschoben worden. Er erzählte. Von Schmerzen. Von der Ratlosigkeit der Ärzte, als die Medikamente bei seiner Knocheneiterung nicht oder nur langsam greifen wollten. Von seiner Freude, wenn sie, die Oberärztin, anstelle des abwesenden Primars die Visite leitete oder manchmal auch allein kam und mit ihm über seine privaten Sorgen plauderte. Das hätte ihm unendlich viel bedeutet. Dann kam er zur eigentlichen Beantwortung ihrer Frage nach dem »Leben gerettet«.
    »Es war der Tag der Entlassung. Ich war zum Primar bestellt. Der hat mir noch einmal gesagt, dass jetzt alle Befunde einwandfrei sind, dass ich gesund bin, aber dass ich sehr, sehr aufpassen muss. Er hat mir erklärt, was ich längst wusste, nämlich dass diese Krankheit vor dem Zeitalter der Antibiotika Siechtum bedeutet hat, dass sie bei einem zweiten Befall möglicherweise nicht mehr heilbar wäre. Und, was das Furchtbarste war, er hat mir gesagt, da die Ursache der Erkrankung nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, müsste ich sehr aufpassen, mich hüten vor – und jetzt kam eine nahezu vollständige Aufzählung aller Dinge, die mir mein Leben bedeuten, alles, was ins Extrem, in Leistung geht, alles, was an Grenzen geht, hat mir der Mann verboten. Ich saß da wie ein –«
    »– und da sind Sie mir auf dem Gang begegnet«, unterbrach sie fröhlich. Während seiner Erzählung, die sie nie kommentierte, war ihr alles in Erinnerung gekommen, lief bei ihr eine parallele Geschichte ab, die ihrer Perspektive, die auch in diese Begegnung auf dem Klinikgang mündete.
    »Sie sind deprimiert auf mich zugegangen –«
    »Sie haben mir gesagt: Fein, dass ich Sie noch einmal treffe.«
    »Und dann habe ich Ihnen gesagt, Sie sollen diese Monate vergessen, Sie sollen ab heute Ihr ganz normales Leben weiterführen. Die beste Vorbeugung gegen eine Rückfall ist, dass Sie vergessen, je krank gewesen zu sein.«
    »Sehen Sie, und das hat mir das Leben gerettet.«
    Sie stießen abermals an.
    Während des Essens plauderten sie über dieses und jenes, später auch über seinen Beruf. Erst erzählte er viel von der Intensität, mit der er sich bei einem sofortigen Spanienurlaub mit seiner damaligen Freundin und nachherigen Frau wieder fit gemacht hatte. Die Ärztin hörte nur halb zu, zu stark waren die Bilder, die bei ihr wieder da waren. Ein bedauernswerter junger Mann, der trotz größter Schmerzen nur widerwillig Schmerzmittel zu sich nahm, der, als die Behandlung in Liegen und Zuwarten übergegangen war, ein geistvoller Konversationspartner war, der ihr vor allem imponiert hatte, wie er glühend und gläubig erzählte, wie sehr seine Freundin und eigentlich schon Verlobte sein großer Halt sei. Sie, die in seiner Heimatstadt als Zahnarztassistentin arbeitete, könnte ihn zwar nur einmal wöchentlich besuchen, aber diese Besuche vertrieben ihm alle grauen und oft schon schwarzen Gedanken.
    Eines Tages lernte die Ärztin

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