Partnerschaft und Babykrise
Sie zerstreitet sich mit allen Leuten. Ich halte es nur aus mit ihr, indem ich ganz abschalte. Ganz förmlich bin. Vielleicht hat sich meine Frau deshalb von mir getrennt. Ich habe wenig Zugang zu meinen Gefühlen. In den zwei Monaten, seit sie weg ist und ich mehr aufmache, hat sich bei mir mehr getan als in den letzten zwanzig Jahren, was die Offenheit in Beziehungen angeht.
Ich würde am liebsten die Kinder ganz von ihr fernhalten. Aber das geht nicht. Ich habe viel Arbeit, und Eva will ja auch mit ihrem neuen Mann zusammen sein. Aber es ist doch so wichtig, dass die Kinder da keine falschen Einflüsse haben. Und meine Mutter sagt natürlich: ›Eure Mutter ist eine Schlampe, eine Ehebrecherin. ‹ Dann ist sie aber wieder zuckersüß zu Eva, weil sie Angst hat, dass sie die Enkel nicht mehr sieht.«
»Und was sagen die Enkel? Gehen die gern zur Oma, oder merkt man ihnen an, dass es ihnen nicht gefällt und sie lieber
bei der Mutter bleiben würden?« »Nein, die Enkel sind ganz zufrieden, die sind gerne bei meiner Mutter, sie ist glücklich, wenn sie jemanden versorgen kann, nur finde ich, dass sie ihnen die falschen Werte vermittelt – sie ist irgendwie nicht die richtige Frau, ich will nicht, dass meine Kinder so werden wie sie.«
Der Einfluss von Großeltern wird überschätzt, weil sich in der Identifizierung mit den eigenen Kindern Erinnerungen an Hilflosigkeit und Auslieferung gegenüber den Eltern – und damit jetzigen Großeltern – wiederholen. Großeltern sind weniger machtvoll als Eltern. Auch erleben Großeltern die Enkel weit weniger als Erziehungsaufgabe als einst die eigenen Kinder.
Perfektionistische Eltern vergessen, wie genau bereits kleine Kinder Erwachsene gewichten können. Sie erkennen, wo die weichen Punkte der Bezugspersonen liegen und entwickeln ein humorlosen Eltern verdächtiges Konzept, sie gegeneinander auszuspielen.
Der oben zitierte Vater ist besorgt, seine Kinder würden durch die abschätzigen Urteile der Großmutter über die Mutter verunsichert und den Eltern entfremdet. Aus seiner Erinnerung heraus, wie sehr es ihn störte, wenn seine Mutter den Vater entwertete, kann er nicht erkennen, dass seine Kinder – anders als er selbst – nicht gezwungen sind, die Großmutter ernst zu nehmen.
5.
DIE GEMEINSAME VERARBEITUNG DER BABYKRISE
Es ist Unsinn,
sagt die Vernunft.
Es ist was es ist,
sagt die Liebe … Es ist unmöglich,
sagt die Erfahrung.
Es ist was es ist,
sagt die Liebe.
Erich Fried
Kitsch und Pathos haben auch ihre Wahrheiten. Ich muss gestehen, dass die meisten poetischen Äußerungen über die Liebe in mir eher gequälte Gefühle auslösen. Auf diesen Begriff zu verzichten und ihn durch ein analytisches oder systemisches Konzept völlig zu ersetzen, missfällt mir ebenso. Am meisten scheint sich in der therapeutischen Arbeit eine Mischung aus analytischer und emphatischer Betrachtung zu bewähren – Distanz von dem Versuch einer rationalen Machtübernahme so gut wie von der emotionalen Vernebelung.
Menschen sind genetisch auf ein Leben in einer gefährlichen Umwelt vorbereitet. Sie reagieren blitzschnell auf äußere Gefahren, während sie Gefahren aus ihrer Innenwelt verharmlosen. In Paarbeziehungen ist die erste, spontane Reaktion
auf eine Kränkung fast immer: »Du hast mir das angetan!« Wir kämpfen lieber gegen äußere Feinde, statt zu erkennen, wie wir diese durch unsere Projektionen schaffen.
»Ich habe Tag und Nacht geschuftet, habe alles getan, um genug Geld heranzuschaffen, dass ihr ein schönes Leben habt!«, sagt der ehrgeizige Oberarzt zu seiner Partnerin, die mit zwei Kindern in einem Vorstadthaus lebt und über den Zustand ihrer Ehe klagt.
»Ich habe dir zwei Kinder geschenkt und bin zu Hause geblieben, so habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt!«
Einem wohlwollenden Dritten gegenüber würde der Arzt gestehen, dass er seinen Beruf niemals missen möchte, würde die Frau zugeben, dass sie sich ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen kann. Aber dem Partner gegenüber stellen sich Opferphantasien ein, alles sei ihr/ihm zuliebe geschehen und werde nicht anerkannt.
Psychotherapeutische Hilfe in einem Paarkonflikt muss gegen die Tendenz ankämpfen, das Problem als eines der Außenwelt – lies: des Partners oder der Partnerin – zu definieren, es ausschließlich dort wahrzunehmen, ebenso ausschließlich dort an einer Veränderung zu arbeiten.
Zu realistischem Vorgehen ermahnt, sehen die Partner ein, dass es absurd ist, von der
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