Partnerschaft und Babykrise
Schock des Blutes hat sich eingeprägt, aber sobald das Trauma bei meiner Mutter deponiert war, hatte es sich erledigt. Sie wusste bereits Bescheid, jemand in der Arztpraxis, wohin mein
Bruder gebracht worden war, hatte einen Nachbarn angerufen, der schon ein Telefon besaß.
In der Kleinstadt war Jahrmarkt, den die Siebenjährige alleine besuchen durfte, ihr Taschengeld in der Faust. Es gab ein Karussell, an dem eine mechanische Orgel spielte, ein mit Silber- und Goldfarbe reich geschmücktes Ding. Daran waren verschiedene Figuren angebracht, die im Takt der schmetternden Musik auf Glocken und Tamburine schlugen.
Die Siebenjährige fand das wunderschön und konnte sich nicht sattsehen. Aber allmählich mischten sich Kummer und Schuldgefühle in ihre Begeisterung. Da genoss sie etwas so einzigartig Schönes, was es sonst nirgends auf der Welt gab, sie tat das ganz alleine, ganz egoistisch, das durfte sie nicht. So lief sie nach Hause, bettelte, die Mutter solle mitkommen und das Wunder teilen, weinte, als die Mutter behauptete, keine Zeit zu haben.
Schließlich kam die Mutter mit. Als sie vor der Orgel standen, konnte das Kind nicht mehr übersehen, dass die Mutter sein Glück nicht teilte. Sie fand die Orgel kitschig, die Musik banal. Es gäbe keinen Grund, so viel Wesens um das Ganze zu machen, was sie sich immer nur einbilde! Von diesem Augenblick an verlor auch das kleine Mädchen die Freude an der Orgel und an dem Jahrmarkt.
Dieser Bericht stammt von einer Analysandin. Sie litt an Panikzuständen und einer Herzneurose. Es wäre voreilig, diese Symptome auf die beschriebenen Kindheitserfahrungen zurückzuführen. Aber die Szene vor der Jahrmarktsorgel kündigt
die spätere Neurose an. Sie zeigt die Angst eines Kindes, das den ursprünglichen Glauben verloren hat, dass die Erwachsenen da sind, wenn es sie braucht. Das Kind muss für die Mutter sorgen. Es muss sich anstrengen, sie nicht zu verlieren.
Der angstfreie Raum, in dem die Tochter lebte, hatte sich dramatisch verkleinert. Hingabe weckte Angst. Das Kind fürchtete sich, die eigene Begeisterung für die Musik und die schönen Figuren auszukosten, ohne an die Mutter zu denken.
Eine neue Sicht auf den Ödipuskomplex
»Es macht nichts, wenn du meine Schwester lieber hast als mich. Schließlich habe ich ja den Papa!«
Diesen Satz hat die heute 50-jährige Carla im Alter von fünf Jahren gesagt. Sie verbindet ihn mit einem Vorwurf gegen die Mutter, welche ihr immer die ältere Schwester vorgezogen habe, gegen die Schwester, die sie nach dem Tod des Vaters um ihr Erbe geprellt habe. Sie sei das Papakind gewesen, die Schwester das Mamakind. Die Schwester hätte auch zur Mutter gehalten, als der Vater fremdging und die Mutter ihn zur Räson gebracht habe, indem sie den Namen und die Adresse der Geliebten auskundschaftete und drohte, das Verhältnis beim Arbeitgeber zu denunzieren.
Carla erzählt diese Geschichte in einer Therapiegruppe, in der einige Frauen Erfahrungen damit haben, als Kinder in den
Ehekonflikt der Eltern hineingezogen worden zu sein. Wer die Dynamik in den Familien des 21. Jahrhunderts verstehen will, muss das Konzept des Ödipuskomplexes erweitern. Es geht nicht nur um Liebe, Hass und Begehren, sondern auch um Narzissmus – um die Frage, ob die Eltern idealisiert werden können, ob sie als Vorbilder aufgenommen werden oder ob das Kind eigene Gegenentwürfe zu diesen Eltern idealisiert und sich mit diesen Bildern identifiziert.
In den Untersuchungen zum Helfersyndrom 20 geht es um eine spezielle Form dieser Gegenbilder: um einen idealen Elternteil, mit dem sich das Kind identifiziert, um Mangelerlebnisse mit den realen Eltern auszugleichen und anderen zu geben, was ihm selbst fehlte. Nicht weniger wichtig ist die Dynamik der Symbiose und der Suche nach einem Selbstobjekt, um in einer erotischen Beziehung Verletzungen des Selbstgefühls auszugleichen, die durch frühe Empathiedefizite vonseiten der Eltern entstanden sind.
Es ist schwer zu entscheiden, ob Freuds Untersuchungen zum Ödipuskomplex unvollständig waren oder ob sich inzwischen durch die fortschreitende Individualisierung der innere Druck in den Familien verschärft hat. Freud begann mit der Beobachtung, dass viele seiner Patientinnen über sexuellen Missbrauch durch den Vater berichteten. Parallel dazu analysierte er seine eigenen Träume und entdeckte, dass er im Alter von drei bis vier Jahren durch seine Mutter erotisch angezogen war und Angst hatte, der Vater könne ihn
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