Party Girl - Roman
irgendwie angespannt. Das begreifst du spätestens, wenn du so was mal geschluckt hast, was sich dann in dir alles löst. Wie alles von dir abfällt. Wer das nie erlebt hat, kann da nicht mitreden. Ich sag dir, du weißt erst, wer du bist, wenn du mal nicht so bist, wie du dich kennst.«
Mona dachte: So lange hat er noch nie an einem Stück gere det.
»Hast du ehrlich so was noch nie probiert?«, fragte Mirko fassungslos.
Mona schwieg. Sie dachte an die anderen Mädchen, die Mirko kannte. Wie die wohl waren? Und was er wohl an ihr fand?
Ihre Finger schlossen sich um die Pillen.
»Wehe, du hast Schweißhände«, sagte Mirko. »Dann gib sie sofort wieder her, die werden noch gebraucht.«
»Meine Hände sind ganz trocken«, sagte Mona. Sie öffne te die Hand wieder. »Guck.«
Mirko pickte sich eine Delfinpille heraus, hielt sie zwi schen Daumen und Zeigefinger und Mona vor die Augen. Die Pille hatte die Farbe von Pistazieneis, Softgrün. Es war eine niedliche, hübsche Pille und Mirko drehte sie dreimal in den Fingern, bevor er sie sich auf die Zunge legte und die Lippen schloss.
»Und jetzt warten«, sagte er, »bis das Glück kommt.«
Mona beobachtete ihn amüsiert.
Vielleicht wollte er sie damit von der Harmlosigkeit der Pille überzeugen.
Vielleicht waren die Pillen ja auch harmlos.
»Nimmst du so was öfter?«, fragte sie.
Mirko, der die Augen geschlossen hatte, um besser auf das Glücksgefühl warten zu können, öffnete sie wieder und schaute sie belustigt an. »Machst du Witze? Alle nehmen das Zeug. Ich meine, was ist eine Party ohne Pille? Ein Nichts. Die Typen verklemmt und gehemmt, jeder kocht in seinem eigenen Saft, das ist so...bäh... einfach nervig.« Er legte ihr das Tütchen auf die Knie.
»Such dir eine aus«, sagte er. »Im Laufe der Nacht wird die Auswahl kleiner.«
»Und ist überall dasselbe drin?«, fragte Mona, während sie mit den Fingern in den Pillen wühlte, deren Oberfläche glatt und seidig war.
»Nicht in allen das Gleiche, aber alles gleich harmlos«, sagte Mirko. Er schloss wieder die Augen. »Ah. Es wirkt schon.« Er lächelte. Legte den Kopf zurück, öffnete die Au gen und Mona sah seine schönen langen, dichten Wim pern. Er zog sie zu sich heran.
»Wir müssen das Gleiche fühlen«, flüsterte er ihr ins Ohr, »wir müssen im gleichen Augenblick den Kick kriegen. Du wirst sehen, das ist das Größte, was du je erlebt hast.«
»Vielleicht wird mir davon schlecht«, sagte Mona unsi cher. Sie nahm sich eine hellblaue Pille, auch mit Delfin.
»Von so was kann einem gar nicht schlecht werden«, sagte Mirko. »Davon wird einem nur gut! Davon wird man ganz klar im Kopf. Ganz leicht! Als hätte man Flügel.«
»Wie ein Engel«, sagte Mona. Und dachte: Bin ich blöd!
Mirko drückte ihr einen Schmetterlingskuss auf die Wan ge. Er lächelte. »Genau«, sagte er, »wie ein Engel.«
Mona schluckte die Pille. Sie war nicht oft krank, hatte nicht viel Übung darin, eine Pille ohne Wasser zu schlu cken, aber weil das Ding so klein und glatt war, bereitete es ihr keine Mühe.
Mirko nickte ihr anerkennend zu, verstaute die Tüte wie der in seiner Jackentasche und fasste nach ihrer Hand.
Sie lehnten die Köpfe zurück, schlossen die Augen und warteten auf das Glück.
Der Weg durch das Fabrikgelände zu dem ehemaligen Trambahndepot, in dem die Party stattfinden sollte, war nur hin und wieder mit Fackeln beleuchtet. Aber Mirko kannte sich aus. Das Wummern der Bässe hatten sie schon aus der Ferne gehört, als sie über die Gleise der stillgelegten Trambahnlinie stolperten und sich wie all die anderen schwarzen Figuren auf dem Trampelpfad vorwärtsbeweg ten, wie eine Ameisenspur auf dem nassen Asphaltband zwischen den Fabrikhallen, die alle hohl und abweisend wirkten, als seien sie bereits seit Jahrzehnten dem Verfall preisgegeben. So hatte Mona sich immer das Ruhrgebiet vorgestellt. Sie hatte nicht gewusst, dass es solche Gegen den noch in München gab. Viele trugen Kapuzenpullis, und wenn man aneinander vorbeiging, grüßte man sich mit einem kurzen Brummen.
Typen mit Bierdosen oder Wasserflaschen in der Hand kamen ihnen entgegen, einer hatte seinen Pitbullterrier (mit Maulkorb) an der kurzen Leine, einer fuhr auf Skates an ihnen vorbei. Ein feiner, nicht unangenehmer Hasch geruch vermischte sich mit dem Kerosin der brennenden Fackeln.
Mona dachte, dass sie lange nicht so etwas gespenstisch Schönes gesehen hatte. Das Spalier der Fackeln warf zu ckende Schatten gegen die
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