Party Girl - Roman
Mauern. Es war, als würde sie von diesem flackernden Feuer angelockt, als zöge sich das Spalier immer enger zusammen bis zum Eingang der Halle, der wie ein großes Löwenmaul aussah.
»Die Höhle des Löwen«, sagte Mona leise. »Oder ist das ein Tiger?«
Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte, Mirko die ausgedruck ten Seiten über den Sibirischen Tiger zu geben. Aber egal.
Sie hielten sich an der Hand, Mirkos Griff war sicher und fest, und wenn sie über ein Gleis steigen mussten, machte er sie auf das Hindernis aufmerksam, so als sei er noch nicht ganz sicher, ob sie hier klarkäme. Aber Mona war fest ent schlossen klarzukommen.
Sie fühlte sich richtig gut. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie schon gegangen waren und wie weit der Rückweg bis zur Haltestelle sein würde.
Egal. Alles egal.
Sie dachte nicht mehr an ihre Mutter in Prag. Sie dachte nicht mehr an ihre Wohnung, ihr weiches, sauberes Bett.
Sie war jetzt hier, mit Mirko, und dies war der einzig wahr haftige Platz der Welt.
Sie spürte den Nervenkitzel des Abenteuers. Sie hatte kei ne Angst, obwohl ihr alles fremd war. Sie wusste nur, dass sie sich irgendwo in der Nähe des Ostbahnhofs befanden.
Irgendetwas huschte dicht vor ihren Füßen vorbei, viel leicht Ratten, die gab es bestimmt hier, aber Mona klam merte sich nicht, wie andere Mädchen es wahrscheinlich getan hätten, ängstlich an Mirko. Es berauschte sie gera dezu, dass die Ratten sie nicht ekelten, sie wollte Mirko so gerne zeigen, wie furchtlos sie war. Also kniete sie sich hin, schnalzte mit der Zunge und machte lockende Ge räusche.
Mirko blieb verwirrt stehen. »Was soll das?«
»Da war eben so eine süße Ratte«, kicherte Mona. »Ich dachte, sie frisst mir vielleicht aus der Hand. Ich dachte, wir könnten ihr eine Pille geben, damit sie auch mal einen glücklichen Tag hat.«
Mirko zog sie wortlos wieder hoch und stapfte weiter.
»Mirko! War ein Scherz!«
Aber Mirkos Gesicht blieb verschlossen, er wirkte ange spannt.
Immer wieder blickte er sie von der Seite an, prüfend und etwas besorgt, aber wenn sie ihn fröhlich anlächelte, nickte er anerkennend und machte dann wieder ein angespanntes Gesicht.
Über der Eingangstür war ein Leuchtstrahler angebracht, dessen Lichtkegel über die Leute schwenkte, die auf Einlass warteten.
Der Türsteher, ein kahlköpfiger Typ mit Sonnenbrille, entdeckte Mirko schon von Weitem und winkte ihn vor.
»Hey Mann«, sagte er mit einem lässigen Kopfnicken.
»Ich hab jemand dabei.« Mirko schob Mona an den Schultern vor sich her. Der Aufpasser ließ einen prüfenden
Blick über Mona gleiten.
»Ist okay«, sagte er.
Sie bekamen einen Stempel auf den Handrücken, eine Art Vampir.
»Der sieht schön aus«, sagte Mona lächelnd. »Überhaupt ist alles schön.«
Mirko nahm wortlos ihre Hand.
Innen war es eng und heiß. Es roch nach Schweiß und Al kohol und die fließenden Bewegungen der Tanzenden wur den durch zuckende Lichtkegel zerhackt, sodass es aussah, als würden Roboter miteinander kämpfen.
Mona sah offene Münder, nackte Schultern, goldene Haare, die sich wie ein Fächer ausbreiteten, wirbelnde Ar me.
Die Halle war endlos groß, eine hohe Glasdecke wölbte sich über den Leuten, die sich an der Bar drängten und schubsten, sich gegenseitig auf die Füße traten, sich verlo ren, sich suchten, sich wiederfanden, sich auf den Boden fallen ließen, die Gesichter verklärt, die Bewegungen eins mit dem Rhythmus der Musik. Wie in Trance, sodass sie kaum zu merken schienen, wenn ein Nachbar ihnen aus Versehen seinen Drink über den Rücken kippte. Es spielte keine Rolle.
Sie tranken Wodka mit Cola. Mirko zahlte. Im Glas klim perten die Eisstückchen.
Weil ihr Mund so trocken war, hatte Mona ihren ersten Drink im Nu heruntergekippt. Mirko lachte. »Noch einen?«
Als Mona nickte, kaufte er ihr einen zweiten Drink. Er drückte ihr das Glas in die Hand. »Immer schön festhalten«, mahnte er. »Nie irgendwo abstellen. Hörst du? Du musst deinen Drink immer im Auge behalten! Immer! Jede Sekun de!«
Mona kicherte, als sie das Glas wie ein braves Mädchen umklammert hielt und so lange fixierte, bis ihr die Augen tränten. »Gut so?«
Mirko grinste nicht. »Die spritzen dir K.-o.-Tropfen in den Drink, und bevor du bist hundert zählen kannst, bist du hinüber!«
Es war unfassbar laut, der Boden vibrierte unter dem rhyth mischen Stampfen der Füße und den wummernden Bässen und schrille Schreie bohrten sich durch Monas Trommelfell
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