Party Girl - Roman
Schuld. Das ist alles meine Schuld.
Und das war es ja auch. Wenn sie nach dem Tod ihres Va ters nicht mit diesem Journalisten gesprochen hätte, dann wäre der Schmutzskandal nicht über Charlotte hereinge brochen. Sie hatte damals versagt, hatte sich nicht zusam mengenommen, obwohl sie es doch hätte besser wissen müssen.
Sie sah Mirkos Handyfoto. Sah es groß abgedruckt in der BILD. Und die Schlagzeile:
15 Jahre jung, allein, drogenabhängig! Zerstört Miriam Charlotte Preuss nun auch noch das Leben ihrer süßen Toch ter?
Ja, SO würden sie das schreiben. Und das wäre für ihre Mutter der absolute Super-GAU.
Sie hatte es nicht mehr in der Hand. Das war die Wahr heit. Mirko war jetzt derjenige, der bestimmen würde. Und sie würde tun, was er gesagt hatte.
Als ihr das klar wurde, begann sie, haltlos zu weinen. Sie konnte nicht mehr aufhören, es war ihr, als stürze sie in ei nen tiefen dunklen Brunnen.
Bis ihr einfiel, dass ihre Mutter gleich anrufen würde. Und dass ihre Mutter mit dem sicheren Instinkt sofort spüren würde, dass etwas nicht in Ordnung war.
In ihrer Panik schluckte sie eine der Pillen, die Mirko ihr dagelassen hatte. Eine der Pillen, die ihr für ein paar Stun den Ruhe und ein bisschen Frieden versprachen.
Leer und schwarz. So fühlte sich Mona auch noch am Montagmorgen. So, als ob sie ein Automat wäre, der einfach tun würde, was man ihm gesagt hätte. Der einen AN-und einen AUS-Schalter hätte. Der einfach gehorchte, weil es nicht anders ging.
Mirko hatte sich für die Mathearbeit entschieden. Sein Standpunkt war, dass man sogar seine Mathearbeiten ver bessern konnte, wenn man richtig drauf war. Und er hatte die Pillen, die einen auf den Punkt fit machten. Kleine gelbe Pillen mit einem Elefanten drauf. Das sollte Monas erster Auftritt werden. Da würde sich zeigen, ob sie es hinbekam oder nicht, hatte er gesagt. Sie wollte nicht daran denken, was passieren würde, wenn sie versagte.
Mathearbeiten waren für die Klasse jedes Mal ein Alb traum.
Der Lehrer, der den gewöhnungsbedürftigen Namen Dr. Thaddeus von Treuchingen hatte, arbeitete den Stoff in Lichtgeschwindigkeit durch.
Mona hatte in Hannover in Mathe zuletzt eine Drei ge habt, aber hier sah es so aus, als würde sie auf eine Vier ab rutschen.
Die Mitschüler hatten Mona schon sehr bald in »Treu chis« Eigenarten eingeweiht. Sie hatten erzählt, dass Treu chi ein Elite-Anhänger war. Dass er alle hinter sich ließ, die nicht mitkamen oder sich nicht genug anstrengten, und im mer nur mit einer kleinen Clique von guten Schülern wei termachte. Wer dabei auf der Strecke blieb, der interessierte ihn nicht.
Mirko hatte ihr genaue Anweisungen gegeben.
Montag sollte sie anfangen, die Leute anzusprechen. An dem Tag würde kein Unterricht stattfinden. Sie würden mit ihrer Kunstlehrerin, Frau Pickler, in die Villa Stuck in der Prinzregentenstraße gehen, einem Jugendstilmuseum. Mirko war ganz begeistert gewesen, als er davon erfuhr.
»Besser kann es nicht laufen«, hatte er gesagt, »da hast du alle Zeit der Welt, mit deinen Leuten zu reden. Wer interes siert sich schon für den Kunstscheiß. Fang mit denen an, die schlecht in Mathe sind.«
Mona kannte die prächtige Villa, die Ende des neunzehn ten Jahrhunderts dem Künstler Franz von Stuck als Wohn haus, Partysalon und Atelier gedient hatte. Sie war mit ihrer Mutter schon hier gewesen. Mona fand das Haus und die Einrichtung übertrieben und protzig, so viele engelsgleiche Wesen, so viel Gold und Schnörkel, aber Charlotte liebte das Anwesen. Sie kam sogar hierher, wenn sie sich auf eine neue Rolle vorbereiten musste, setzte sich in den Garten, bestellte einen Milchkaffee und arbeitete. Sie sagte, der Ju gendstil würde sie inspirieren. In ihrem Schlafzimmer hing sogar ein Jugendstilgemälde, ein Ölbild von Ludwig von Hofmann: Zwei Frauen in Schleierkleidern badeten in ei nem Seerosenteich.
Mona lief durch die Räume, die sie schon kannte, sie sah die Bilder und sah sie auch wieder nicht. Sie antwortete, wenn sie angesprochen wurde. Ganz automatisch geschah das, sie funktionierte. Aber ihr schoss auch durch den Kopf, dass sie am liebsten am Samstag nicht aufgewacht wäre, ein fach bei den Delfinen hätte bleiben sollen. Blaue See statt schwarzer Leere.
Marcia und Jennifer gingen neben ihr durch den Musiksa lon. Sie kicherten und lachten und unterhielten sich über die Party am Samstagabend bei Benjamin. »Boah, das war so peinlich, wie Julie mit Tom abgezogen ist,
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