Party Prinzessin
über den Monitor ihres Computers hinweg beobachtete, an dem sie gerade das Layout für die erste Ausgabe von Fat Louies rosa Rosette entwarf.
»Ist was, Mia?«, fragte sie.
»Ach, es ging um die Rosagunde-Sache«, erklärte ich. »Tut mir Leid, aber Grandmère lässt sich nicht überreden. Sie zwingt mich, sie zu spielen, sonst sagt sie Du-weißt-schon-wem Du-weißt-schon-was, und dann kriege ich so einen Arschtritt, dass ich von hier bis nach New Jersey fliege.«
Lillys dunkle Augen glitzerten hinter ihren Brillengläsern. »Das hat sie gesagt, ja?« Sie wirkte nicht überrascht.
»Es tut mir echt Leid, Lilly«, sagte ich, und das meinte ich aus tiefstem Herzen. »Du wärst eine viel bessere Rosagunde als ich.«
»Mir egal.« Lilly schnaubte. »Ich bin mit meiner Rolle ganz zufrieden. Ehrlich.«
Aber ich merkte genau, dass sie bloß tapfer war. Im tiefsten Inneren tat es ihr echt weh.
Und ich kann es nachfühlen. Weil es einfach total bescheuert ist. Wenn Grandmère will, dass ihr Musical ein Erfolg wird, wäre es doch nur logisch, dass sie die beste Schauspielerin nimmt, die sie finden kann. Wieso besteht sie darauf, mir die Rolle zu geben – der schlechtesten Schauspielerin der ganzen Schule (vielleicht mit Ausnahme von Amber Cheeseman)?
Pfff. Bei Grandmère weiß man sowieso die Hälfte der Zeit nicht, weshalb sie die Dinge macht, die sie macht.
Irgendeinen Grund wird sie schon haben.
Aber wir einfachen Sterblichen werden sie nie durchschauen. Dieses Privileg ist den anderen Außerirdischen vorbehalten, die ebenfalls mit dem Mutterschiff gekommen sind, das meine Großmutter von ihrem von Grund auf bösen Planeten, auf dem sie geboren wurde, hierher zur Erde gebracht hat.
Freitag, 5. März, Erdkunde
Gerade hat Kenny mich gebeten, ob ich das Arbeitsblatt über Molmassenberechnungen noch mal abschreiben könnte, weil er gestern beim Abendessen süßsaure Soße darüber gekleckert hat.
Ich weiß nicht, was in dem Moment in mich gefahren ist.
Vielleicht war es Restbosheit von meinem Gespräch mit Grandmère. Womöglich hat sie mich mit ihrer Boshaftigkeit angesteckt. Eine andere Erklärung hab ich nicht.
Jedenfalls hab ich beschlossen, selbst auch mal ein bisschen Wirtschaftstheorie anzuwenden. Warum auch nicht? Das mit der Selbstaktualisierung hat nicht geklappt, also versuche ich es mal mit dem guten alten Alfred Marshall. Alle anderen machen es ja genauso. Lana zum Beispiel.
Und DIE bekommt immer, was sie will. Genau wie Grandmère. Also hab ich Kenny gesagt, ich würde das Blatt nicht abschreiben, es sei denn, er erledige heute für mich die Hausaufgaben.
Er guckte mich etwas komisch an, erklärte sich dann aber dazu bereit. Wahrscheinlich hat er deswegen so komisch geguckt, weil er sowieso jeden Abend die Hausaufgaben für mich macht.
Ich kann selbst nicht glauben, dass ich so lang gebraucht habe, um zu kapieren, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Die ganze Zeit hab ich gedacht, es wäre die Jung’sche Transzendenz, die ich erreichen muss, um friedvoll, heiter und zufrieden zu leben.
Aber Grandmère und ausgerechnet Lana Weinberger haben mir bewiesen, wie sehr ich mich geirrt habe.
Es geht nicht darum, eine Grundlage aus Wurzeln wie Vertrauen und Mitgefühl zu bilden, um die Früchte Freude und Liebe zu ernten.
Nein! Es geht um das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Wenn man etwas will und jemandem einen guten Anreiz bieten kann, um ihn oder sie dazu zu bringen, es einem zu geben, dann bekommt man es angeboten. Und das Gleichgewicht bleibt erhalten.
Das ist irgendwie schon erstaunlich. Ich hatte keine Ahnung, dass Grandmère so ein Wirtschaftsgenie ist.
Oder dass ICH jemals etwas von LANA lernen würde.
Das taucht alles in ein ganz neues Licht.
Wirklich ALLES.
Hausaufgaben:
Sport:
Turnzeug!!! Turnzeug!!! TURNZEUG!!!!!
Wirtschaft:
Kapitel 9 bis Montag lesen
Englisch:
S. 155–175, »Neue Erde«
Franz:
Vocabulaire 3ème étape
T&B:
Den wassergefüllten BH mitnehmen, den Lilly mir mal aus Gag geschenkt hat. Für die Party.
Geo:
Kapitel 18
Erdkunde:
Egal. Macht Kenny! HARHARHARHAR!!!
Freitag, 5. März, im Ballsaal vom Plaza
Als wir im Plaza ankamen, verkündete Grandmère, wir würden zunächst mit einer so genannten »Leseprobe« beginnen. Wir setzten uns alle hin, und jeder sollte die Sätze lesen, die er oder sie später auf der Bühne sagen würde.
Nur so viel: Leseproben sind extrem langweilig.
Ich verstecke mein Tagebuch hinter meinem Text, damit die anderen nicht sehen, dass
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