Party Prinzessin
Mittagspause
JP sitzt wieder bei uns. Er ist der Einzige am Tisch (von denen, die im Stück mitmachen – Musical, meine ich), der vor Erschöpfung nicht wie erstarrt ist. Er hat sogar ein neues Gedicht geschrieben.
Es war der Wunsch von meinem Vater,
mich einmal auf der Bühne zu sehen,
aber die Freude am Theater
verwandelte sich in verzweifeltes Flehen.
Jetzt ist es so weit,
ich hab keine Lust mehr zu proben.
Ich will sie zurückdrehen, die Zeit –
meine Träume sind zerstoben.
Nichts ist übrig vom einstigen Glück,
vor Erschöpfung wächst mir schon ein Kropf.
Befreit uns von dieser Folter, diesem Stück,
Musical, meine ich – Zopf!
Total witzig. Ich würde ja lachen, wenn mir das Zwerchfell nicht so wehtun würde, weil ich den Stutzflügel so oft hochstemmen musste.
Von Michael habe ich immer noch nichts gehört. Ich weiß aber auch, dass er gerade Zwischenprüfung in seinem Seminar über dystopische Sci-Fi-Filme schreibt. Das könnte erklären, warum er noch nicht angerufen hat, um sich für das Keks zu bedanken.
Nicht weil er nie mehr etwas von mir hören oder mich nie wiedersehen will, weil ich sexy getanzt hab.
Vielleicht.
Montag, 8. März, T&B
Okay, jetzt hat sie endgültig den Verstand verloren.
Im Ernst. Ich würde echt gern wissen, was in ihrem KOPF vorgeht. Einerseits erwartet sie, dass wir ihr alle helfen, ihre blöde Literaturzeitschrift zu machen (sie hat gerade 3700 einzelne Seiten hier reingekarrt, die wir falten und heften sollen), andererseits weigert sie sich, »Nie mehr Mais!« aus dem Heft zu nehmen.
»Lilly«, hab ich gesagt. »BITTE. Wir kennen JP inzwischen richtig gut. Wir sind mit ihm befreundet. Du kannst die Geschichte nicht abdrucken. Dadurch verletzen wir doch bloß seine Gefühle! Ich meine, überleg mal: Ich lasse ihn am Ende Selbstmord begehen!«
»JP ist Dichter«, war alles, was Lilly dazu zu sagen hatte.
»UND WAS HAT DAS BITTE DAMIT ZU TUN?«
»Dichter begehen doch dauernd Selbstmord. Das ist statistisch bewiesen. Von allen Schriftstellern haben Dichter die geringste Lebenserwartung. Die Selbstmordrate unter Dichtern ist bedeutend höher als die unter Belletristik- oder Sachbuchautoren. JP wird wahrscheinlich gar kein Problem mit deinem Ende von ›Nie mehr Mais!‹ haben, weil das genau die Art ist, wie er sein Leben eines Tages sowieso beenden wird.«
»Lilly!«
Aber sie lässt nicht mit sich reden.
Ich hab mich aus ethischen Gründen geweigert, ihr zu helfen, die Seiten zu falten und zusammenzuheften, also hat sie Boris überredet.
Aber man merkt, dass er eigentlich nicht will. Er ist bloß zu müde, um Geige zu üben.
Allmählich frage ich mich wirklich, ob es nicht einfacher gewesen wäre, Kerzen zu verkaufen…
Montag, 8. März, Erdkunde
Kenny war gestern Abend zwar nicht zu müde, um unser Arbeitsblatt auszufüllen. Aber er war zu müde, um nicht Tomaten-Knoblauch-Soße darüber zu kleckern.
Diesmal habe ich es noch mal neu abgeschrieben, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen. Ich habe Alfred Marshall endgültig aufgegeben. Für Grandmère und Lana mag seine Methode funktionieren, mir hat sie einen Scheißdreck gebracht.
Immer noch kein Wort von Michael. Dabei müsste die Prüfung jetzt zu Ende sein.
Ich glaube, es ist offiziell. Er hasst mich.
Hausaufgaben:
Sport:
TURNZEUG WASCHEN!!! ICH FASSE ES NICHT, DASS ICH ES WIEDER VERGESSEN HABE.
Wirtschaft:
Keine Ahnung. Zu müde. Mir egal.
Englisch:
M.e. (mir egal)
Franz:
M.e.
T&B:
Kicher, kicher
Geo:
M.e.
Erdkunde:
M.e. (erledigt Kenny)
Montag, 8. März, in der Limo auf dem Heimweg vom Plaza
Ich hab die Schnauze so was von voll.
Echt. Das ist jetzt endgültig zu viel. Nach allem, was…
Okay, ich muss mich zusammenreißen. ICH. MUSS. MICH. ZUSAMMENREISSEN.
Alles hat ganz harmlos angefangen. Wir lagen auf dem Boden des Ballsaals, völlig erledigt nach unserem letzten Durchlauf.
Und dann fragte jemand – ich glaube, es war Tina: »Äh, Eure Hoheit? Meine Eltern wollen wissen, wo sie die Karten für das Musical kaufen können, damit sie es nicht verpassen.«
»Die Namen eurer Eltern stehen bereits auf der Gästeliste«, antwortete Grandmère von ihrem Platz aus, wo sie ihre Nach-Proben-Zigarette schmauchte (anscheinend erlaubt sie sich nicht nur nach den Mahlzeiten eine Zigarette, sondern auch nach den Proben). »Sie brauchen am Mittwoch nur an der Abendkasse Bescheid zu sagen.«
»Am Mittwoch?«, fragte Tina mit merkwürdig piepsiger Stimme.
»Ganz genau«, sagte Grandmère und atmete
Weitere Kostenlose Bücher