Party Prinzessin
eine bläuliche Rauchschwade aus. Señor Eduardo hustete leise im Schlaf, als etwas davon in seine Richtung trieb.
»Aber Mittwoch ist doch der Abend, an dem diese ›Aide de Ferme‹-Benefizgala stattfindet, oder?«, fragte jemand anders, ich glaube, es war Boris.
»Ganz genau«, sagte Grandmère wieder.
Und da war es uns endlich klar.
Lilly war die Erste, die aufstand.
»WIE BITTE?«, schrie sie. »Sie zwingen uns, dieses Stück vor all den Leuten aufzuführen, die auf Ihre Party kommen?«
»Es ist ein Musical«, antwortete Grandmère scharf. »Kein Stück.«
»Aber als wir Sie letzte Woche gefragt haben, haben Sie gesagt, dass ›Zopf!‹ in einer Woche aufgeführt wird!«, brüllte Lilly. »Und das war ein Donnerstag!«
Grandmère paffte ihre Zigarette. »Tja, meine Liebe«, sagte sie und klang nicht im Geringsten mitleidig. »Da habe ich mich wohl um einen Tag vertan.«
»Ich werde mich nicht…«, sagte Boris und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, »…vor Joshua Bell mit den Haaren irgendeines Mädchens erwürgen lassen.«
»Und ich werde vor Benazir Bhutto«, verkündete Lilly, »auf keinen Fall eine Mätresse spielen – egal ob sie die Taliban unterstützt hat oder nicht.«
»Ich möchte vor den ganzen Promis keine Dienerin spielen«, sagte Tina schwach.
Grandmère drückte sehr gelassen ihre Zigarette auf einem leeren Teller aus, den jemand auf dem Flügel hatte stehen lassen. Ich sah, wie Phil den schwelenden Stummel besorgt von seinem Platz an den Tasten aus beobachtete. Anscheinend hat er genauso viel Angst davor, vom Passivrauchen Lungenkrebs zu bekommen wie ich.
»Das ist also«, sagte Grandmère, deren nikotinheisere Stimme durch den ganzen Ballsaal hallte, »der Dank dafür, dass ich euren langweiligen, durchschnittlichen kleinen Schülerleben Kunst und Glamour einhauche?«
»Äh«, muckte Boris auf. »In meinem Leben hat Kunst immer eine Rolle gespielt. Ich weiß nicht, ob es Ihnen bekannt ist, Eure Hoheit, aber ich bin Konzertgeiger und…«
»Ich habe mich bemüht«, übertönte ihn Grandmères Stimme, »euch etwas zu geben, das eure stumpfsinnige Existenz als Schulsklaven bereichert. Ich wollte euch eine bedeutungsvolle Erfahrung ermöglichen, etwas, das euch Freude bereitet. Und das ist der Dank? Ihr jammert, weil ihr das, was ihr euch so hart erarbeitet habt, nicht mit anderen Menschen teilen wollt? Mon Dieu, und ihr wollt SCHAUSPIELER sein?????«
Alle sahen sie verständnislos an. Weil sich natürlich keiner von uns jemals als Schauspieler betrachtet hätte.
»Wisst ihr denn nicht«, donnerte Grandmères Stimme durch den Saal, »dass Gott euch Menschenkindern einen Platz auf dieser Erde gegeben hat, damit ihr euer Talent zur Freude anderer einsetzt? Wollt ihr etwa Gottes Plan sabotieren, indem ihr es der Welt verwehrt, sich an eurer Kunst zu erfreuen? Ist es das, was ihr mir zu verstehen geben wollt? Dass ihr Gott TROTZEN wollt?«
Nur Lilly hatte den Mut zu antworten.
»Ähem«, sagte sie. »Eure Hoheit, ich glaube nicht, dass ich der Göttin trotze – falls sie überhaupt existiert –, indem ich sage, dass ich keine Lust habe, mich vor einer Horde von politischen Staatenlenkern und Filmstars zu Tode zu blamieren.«
»Zu spät!«, rief Grandmère. »Du bist nämlich schon längst tot! Wer sich aus lauter Angst vor einer Blamage in sein Schneckenhaus verkriecht, der lebt nicht. Eine wahre Künstlerin schämt sich niemals für ihre Arbeit. NIEMALS.«
»Okay«, sagte Lilly. »Es geht mir nicht um die Angst, mich zu blamieren, es geht…«
»Dieses Musical«, fuhr Grandmère mit gellender Stimme fort, »in das ihr alle euer Herzblut gegossen habt, ist viel zu bedeutungsvoll, als dass wir es nicht so vielen Menschen zeigen sollten wie nur irgend möglich. Und welcher Anlass eignet sich dafür wohl besser als eine Benefizgala, deren Erlös den darbenden Olivenbauern Genovias zugute kommt? Seht ihr denn nicht, dass ›Zopf!‹ eine Botschaft in sich trägt? Eine Botschaft der Hoffnung, die für die Menschheit lebenswichtig ist – ganz besonders für die Olivenbauern Genovias? In diesen dunklen Zeiten illustriert unser Musical, dass das Böse niemals die Oberhand gewinnen wird und dass selbst die Schwächsten von uns einen Beitrag dazu leisten können, das Böse zu bezwingen. Ich frage euch: Wenn wir der Menschheit diese Botschaft vorenthalten, tragen wir dann nicht wissentlich dazu bei, dass das Böse am Ende doch noch siegt?«
»O Mann!«, hörte ich Lilly
Weitere Kostenlose Bücher