Pas de deux
fragst. Lassen wir den sexuellen Teil der Sache, von dem du nichts verstehst, mal beiseite. Stell dir vor, eine Frau mit dem Verstand eines Kindes. Hast du überhaupt eine Ahnung, was das heißt? Errätst du, wieviel Probleme man sich damit vom Hals schafft? Weißt du, worüber wir uns streiten, Giuletta und ich? Höchstens über die Farbe ihres neuen Kleides oder darüber, wohin wir ausgehen … Sag schon, wer macht sich denn das Leben schwer? Ich bin nicht in einen gnadenlosen Kampf verwickelt, ich versuche nicht, meine eigene Verrücktheit mit einer anderen zu verbinden, und ich weiß im voraus, daß sie mich verlassen wird … Glaub mir, das ist eine erholsame Situation. Ich wäre wohl kaum in der Lage, auch nur ein Viertel von dem aufzubringen, was eine Frau von mir erwartet. Jetzt nicht mehr.«
Sie kam zurück, und wir mußten warten, bis sie ihren Nachtisch aufgegessen hatte.
Wir verbrachten eine Woche zu dritt in Cape Cod. Ich glaube, an Olis Stelle wäre ich es schnell leid geworden. Aus der Nähe betrachtet, war seine Theorie weniger überzeugend. Ich hatte eher den Eindruck, daß man sich oft genug um sie kümmern mußte, und wenn sie einem auch nicht mit irgendwelchen existentiellen Problemen den Nerv tötete – ihr ständiges Geplapper war unerträglich. Und sobald etwas nicht stimmte, begann sie zu schmollen.
Ich fand ihre Gegenwart allenfalls angenehm, wenn sie baden ging und ich ihr oben von der Klippe aus zuschaute, oder aber, wenn sie schlief. Ich schätze, es lag daran, daß ich zwei Töchter hatte, wenn ich mich für einen Reiz einer solchen Liaison nicht erwärmen konnte. Giulettas Betragen versetzte mich in jene Jahre zurück, als sie noch auf meinen Schoß sprangen, sich einen Spaß daraus machten, mich zu necken, mich mit Fragen bestürmten und in Spiele verwickelten, die inzwischen für mich nichts Geheimnisvolles mehr an sich hatten. Trotzdem verstand ich, was Oli daran finden mochte, obwohl ich einigen Unmutsgesten entnahm, daß seine Geduld nicht ganz so heiter war wie meine einst.
Man mußte bis Einbruch der Dunkelheit warten, um ein wenig Ruhe zu haben, wenn sie nämlich vor dem Fernseher hockte und wir auf dem deck die Abendluft schnupperten. Oder auch am Morgen, wenn sie faul im Bett blieb, während Oli ihr Frühstück zubereitete.
Ansonsten war sie recht hübsch. Oli beteuerte, sie werde bald achtzehn, aber ich glaubte ihm kein Wort. Ich mußte zugeben, daß sie verführerisch aussah, daß dieser so zarte, aber durchaus mit Rundungen versehene und von einem Kinderlächeln flankierte Körper etwas hatte, bei dem einem heiß wurde. Und ich wußte nicht, ob sie sich rasierte oder was, jedenfalls hatte ich sie unter der Dusche gesehen und auch eines Morgens, als sich ihr Bademantel direkt vor meiner Nase zufällig geöffnet hatte, und im ersten Moment war ich einfach baff gewesen, dann jedoch sauer, denn für mich war sie nur ein kleines Mädchen, und es behagte mir nicht, wie der letzte Grünschnabel aus der Wäsche zu gucken. Wenn sie miteinander rauften und sich über den Teppich rollten, ging ich meist nach draußen. Ich wußte nicht, ob sie überhaupt merkte, wie schamlos sie war. Oli hingegen fiel bei ihren Spielen in seine Kindheit zurück, und er machte sich erst recht keine Gedanken, wenn sie der Länge nach, alle viere von sich gestreckt, auf dem Boden lag.
Jeden Tag wollte sie in die Stadt fahren. Am Strand entlang oder durch den Wald zu wandern interessierte sie nicht. Sie hatte keine Ahnung vom Fischen, vom Licht, von der Stille. Aber Geschäfte abklappern, darauf verstand sie sich. Vor unserer Abreise hatte sie uns durch ganz New York geschleppt, von Billy Martin’s zur Antique Boutique, Canal Street und kreuz und quer durch Soho, aber das hatte ihr nicht gereicht. Wahrscheinlich hatte sie vor, ganz Neuengland zu plündern.
Finn war verschwunden. Am Spätnachmittag, wenn sie anfing, im Kreis zu laufen, nahmen wir den Wagen, und ich setzte sie dann vor den Läden ab. Ich nutzte die Gelegenheit, um nach ihm zu suchen, ich kehrte in Kneipen ein, schlenderte durch die Straßen, verweilte bei den Booten, aber ohne Erfolg. Es dauerte eine Weile, bis ich realisierte, daß ich nicht wußte, wo er wohnte, und daß ich keine Möglichkeit hatte, ihn aufzusuchen. Oli hatte mich gefragt, was das denn für eine verrückte Geschichte sei. Solch ein Patron sei ihm in dieser Gegend noch nie über den Weg gelaufen, auch kein schweigsamer Hüne oder jemand namens Finn, der in
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