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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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meine Kerze angefangen zu knistern und war im Nu nahezu abgebrannt, so daß ich mit einem drei Zentimeter langen Stummel vor den Altar trat und der Priester zögerte, mir die Hostie zu reichen –, erntete ich gewöhnlich zumindest ein Lächeln. Wenn ich in Form war – und diese Nacht, heilfroh, anderen Themen aus dem Weg zu gehen, legte ich mich wahrlich ins Zeug –, erzielte ich mit dieser Geschichte eine zwerchfellerschütternde Wirkung, die mir bis dato immer den Dank meiner Zuhörerschaft eingetragen hatte.
    »Was ist los? Interessiert dich das nicht?« fragte ich sie.
    Ich hatte das Gefühl, sie unterdrücke einen Seufzer oder müsse gleich gähnen.
    »Sag mal«, sagte sie, »warum bist du so verkrampft?«
    Ich streichelte ihr über den Po, um dieser Fragerei ein Ende zu machen. Ich war noch nicht ganz soweit, aber ich dachte, besser das, als mit ihr über meine geistige Verfassung zu sprechen.
    »Kann das nicht warten?« regte sie lächelnd an.
    Ich sagte nichts. Ich dachte, ich könnte ihr den Schnabel stopfen, aber ihre Verblüffung hielt nur eine Sekunde an. Und als habe sie die dunkle Aufforderung, die ich ihr unterbreitete, nicht mitbekommen – ich hätte nicht sagen können, ob ich nun weitermachen sollte oder ob das etwas war, was sie nicht mochte –, wiederholte sie ihre Frage.
    »Ich bin kein bißchen verkrampft«, antwortete ich ihr.
    »Ich würde gern wissen, was dir zu schaffen macht. Liegt es an mir?«
    »Hör auf, mir geht es bestens.«
    »Findest du, ich bin zu neugierig?«
    »Mmm … Ich schätze, man ist immer zu neugierig.«
    Ich schaute sie an, denn ich war überrascht, daß sie imstande war, dieses Gespräch ohne jede Verwirrung fortzusetzen. Ihre Augen zuckten nicht. Ihre Haut hatte sich kaum gerötet. Es kam mir vor, als hätte ich ihr meinen Finger ebensogut ins Ohr stecken können. Statt sich zu entziehen, malte sich ihr Hintern deutlich unter der Decke ab, aber ich sah, daß sie mit den Gedanken woanders war.
    »Ich denke, eins solltest du wissen«, setzte sie wieder an, »und das dürfte dich beruhigen. Ich bin verheiratet. Ich habe ein kleines Mädchen von zwei Jahren, und ich liebe meinen Mann. Mit anderen Worten, du hast nichts zu befürchten. Du wirst mit mir keine Unannehmlichkeiten haben. Unannehmlichkeiten in dem Sinne, daß einer von uns zuviel möchte … Ich weiß nicht, ob wir noch weitere Nächte Zusammensein werden, ich würde es mir wünschen, aber selbst wenn wir uns noch viele gemeinsame Nächte gönnen, es würde nichts zwischen uns ändern. Ich erwarte nichts von dir. Ich versuche dich nicht irgendwohin zu schleifen. Der Spaß, den es mir macht, mit dir zusammenzusein, ist nichts, verglichen mit dem Glück, eine Familie gegründet zu haben. Und was wir zu zweit tun, ist mir um so angenehmer, als es niemals etwas in Frage stellen wird. So, ich hoffe, ich war nicht zu rücksichtslos.«
    Ich stand auf, um ein Glas zu trinken. Sie fragte, was ich hätte. Ich lächelte sie an, dann ging ich raus auf die Terrasse. Ich wollte ein wenig Luft schnappen, bevor ich wieder dazu überging, sie zu bumsen. Und die Nacht draußen war gar nicht so finster. Die Luft gar nicht so drückend. Nichts von dem, was ich vor Augen hatte, wirkte banal oder mittelmäßig. Nichts war grauenhaft.
     
    23. September 61
    Ich finde, er ist gewachsen. Aber auch dünner und blasser geworden. Annas Freunde sind durch die Bank bekloppt, aber noch gleicht er ihnen nicht. Wenn man genau hinsieht, entdeckt man immer noch ein kleines Leuchten in seinen Augen. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu dumm. Als wir gingen, meinte Oli zu mir; »Ich will nichts mehr davon hören. Ich will nicht, daß du ein Wort über ihn verlierst!«
    Ich bin die einzige hier, die etwas tun will. Elisabeth beobachtet mich von Zeit zu Zeit, wenn ich nachdenke. Aber das hilft mir auch nicht groß weiter.
     
    Am Abend dankte ich Anna, daß sie die beiden eingeladen hatte. Sie ging mit einer abwerfenden Handbewegung darüber hinweg, denn immer noch kamen ein paar Leute, die sich verspätet hatten, und mit denen wollte sie noch rasch ein paar Worte wechseln. Ich nutzte die Gelegenheit, um ein wenig aufzuräumen, nicht weil mir ihre Mutter sonderlich sympathisch war, sondern weil ich mich kaputt fühlte und keine Kraft mehr hatte, mich zu ihnen zu setzen.
    Ich war den ganzen Tag hin und her getigert bei dem Gedanken, Edith und Oli wiederzusehen, und je näher die Stunde unseres Wiedersehens rückte, um so nervöser wurde ich, um

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