Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
so schmerzlicher wurde meine Freude. Ich hatte sie jetzt fast drei Monate nicht mehr gesehen. Anna war sich am Tag zuvor immer noch nicht sicher gewesen, ob sie Lust hatte, die beiden einzuladen, ständig hatte sie betont, immerhin sei das ihr Geburtstag, falls ich das vergessen haben sollte.
    In der ersten Zeit nach meinem Auszug hatte ich mich ein wenig unbehaglich gefühlt, wenn ich an die beiden dachte. Und von meinem neuen Leben gab es nichts Großartiges zu berichten oder zu zeigen, nichts, was mein Fortgehen in ihren Augen rechtfertigen konnte, also hatte ich mich ferngehalten und mich nicht einmal bemüht, mit ihnen zu sprechen, wenn ich meine Mutter am Telefon hatte. Als ich in der Folge ein wenig Geld verdiente und mich Anna all ihrer Kritik zum Trotz allmählich als erwachsenen Menschen betrachtete, stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn ich ihnen die Tür aufmachte und sie bäte, Platz zu nehmen, verdammt noch mal, und sie wären beeindruckt und würden sich mit den Ellbogen anstoßen, während ich ihnen ein Gläschen anbot, und ich brauchte ihnen nicht zu erklären, warum ich gegangen war, sie würden mir meine Rücksichtslosigkeit und mein Schweigen verzeihen, wenn sie erkannten, welcher Stimme ich gefolgt war. Ich war überzeugt, einen großen Schritt getan zu haben, überzeugt, daß mir das Leben etwas Wichtiges bot. Daß ich zu solchen Empfindungen neigte, lag daran, daß mir die beiden mehr als jeder andere fehlten, denn mein Aufstieg als solcher reichte mir nicht vollkommen. Ich wollte, daß Edith und Oli sich mit mir darüber einig waren, ich wollte, daß sie mich um Rat fragten oder ob ich ihnen helfen könnte.
    Anna fand stets Gründe, eine Einladung hinauszuzögern. Und wenn ich unglücklicherweise darauf bestand, nahm unser Gespräch ein schlimmes Ende. Überdies führte jede Meinungsverschiedenheit, die wir hatten, unweigerlich dazu, daß sie meinte, ich brauchte nur zu gehen, wenn ich nicht zufrieden sei, und ich reagierte mit einem kläglichen, einem ekelhaften Schweigen, das mich erdrückte, das ich jedoch nicht überwinden konnte. Ich hatte den Eindruck, sie meine es ernst. Und hinter der Tür gähnte ein bodenloser Abgrund. So daß es mir nicht mehr allzu wichtig erschien, das letzte Wort zu haben. Was auf Erden war es wert, Anna zu opfern? Machte sie nicht jeden dieser gräßlichen Augenblicke ungeschehen, wenn sie mich in ihr Bett zog? Ich dachte gar nicht daran, ihr die Stirn zu bieten, wenn mich das ihre Liebkosungen kosten konnte. Ich glaubte nicht, daß es eine andere Lösung gab, als mit einer Frau zusammenzuleben. Und ich wußte aus Erfahrung, daß es nicht einfach war, eine zu finden.
    Kurz und gut, ich lernte, mit der Zerrissenheit zu leben. Ich lernte bei Anna noch eine Menge anderer Dinge, von denen mir einige erst im nachhinein oder Monate später klar wurden, wenn ich daran zurückdachte. Einige waren ganz schlicht, sie brachten mir keine großen Erkenntnisse über die menschliche Natur, halfen mir aber, den Alltag zu meistern. So wußte ich zum Beispiel, wie ich sie wecken mußte, um noch mehr dabei herauszuholen. Das war mir nicht unbedingt das Liebste, schließlich hatte nur sie etwas davon, aber gerade meine demütige Selbstlosigkeit rührte sie. Kaum war sie zum Höhepunkt gekommen, schob ich ihr einige Kopfkissen hinter den Rücken und brachte das Frühstück, das ich zubereitet hatte. Ich nahm mir kaum Zeit, mir den Mund abzuwischen. Wenn sie dann eine Hand ausstreckte, um mir über die Wange zu streichen, bestand Aussicht, daß sie gewährte, was sie mir am Tag zuvor verweigert hatte.
    Wenn man ihren Worten Glauben schenkte, hatte ich sie am Morgen ihres Geburtstags halb umgebracht. Ich selbst war in Anbetracht des Eifers, den ich an den Tag gelegt hatte, weniger überrascht. Nach einer Weile hatte sie zu flüchten versucht, aber ich hatte sie weiter bearbeitet. Sie war aus dem Bett gekippt und auf dem Rücken bis in die Ecke gerobbt, wo sie ein Sonnenstrahl erwartete, und dort hatte sie am ganzen Körper angefangen zu zittern, sie hatte unverständliche Worte gestammelt, die zu verstehen ich nicht einmal versucht hatte. Zudem war mein Kaffee ausgezeichnet, und ich hatte ihr Croissants und Marmelade gebracht. Ich beobachtete sie, als ich das Tablett auf ihren Beinen abstellte. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem gesättigten und befriedigten Lächeln. Als sie mir mitteilte, ich könne die beiden anrufen, empfand ich das nur als wohlverdient.
    Jetzt, da der Abend

Weitere Kostenlose Bücher