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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Telefon zu ergreifen.
    Ich war dünner geworden, seit mich Edith verlassen hatte. Die zwei, drei Kilo, die mir die Verzweiflung geraubt hatte, drohten mir nun zum Nachteil zu gereichen. Das Schlimmste war, daß ich mich voll verausgabte, daß ich vor Anstrengung brüllte und Fratzen schnitt, während das Tier ganz gelassen blieb und mein Eingreifen anscheinend für einen Witz hielt.
    Ich wußte nicht, wer es geschickt hatte, aber mir diese Frau aus den Händen reißen zu wollen, war in Anbetracht meiner Situation der übelste Streich, den man mir spielen konnte. Gott sei mein Zeuge, daß ich keine Tricks benutzt hatte, um diese Frau zu besitzen. Daß ich keiner Frau mehr nachgelaufen war, seit mich Edith davongejagt hatte, daß ich mich sogar auf Distanz gehalten hatte, und ich bedauerte es nicht, weit gefehlt, ich hätte genauso gehandelt, wenn alles noch einmal so gekommen wäre. Aber diese Frau durfte man mir jetzt nicht rauben, denn davon würde ich mich nicht erholen. Daß man bloß diese Ausgeburt der Hölle zurückrief, denn das hatte ich nicht verdient, daß man mich derart zugrunde richtete.
    Mein Flehen nutzte nichts. Kein Schuß war zu hören. Ich hatte das Gefühl, das Reptil blicke mich böse an, so als habe es vor allem die Absicht, mir zu schaden, indem es Odile mitgehen ließ. Hin und wieder tauchte sein Schwanz auf und peitschte die Wasseroberfläche, um mich einzuschüchtern. Ich hatte größte Lust, mich auf den Kerl zu stürzen, so wütend war ich. Odile klammerte sich an ihr Kleid und stöhnte. Zum Glück war es ihr gelungen, beide Füße rechts und links des Tiers auf den Boden zu stemmen, und so bemühten wir uns mit vereinten Kräften.
    Und das reichte so gerade. Zu unserer hellen Aufregung setzte er dem nur eine finstere und siegesgewisse Passivität entgegen. Ich glaube, er wartete nur darauf, daß wir nicht mehr konnten, und erachtete es folglich als überflüssig, sich zu überanstrengen. Das machte mich krank. Wenn das so weiterging, würde Odile in zwei Teile gerissen. Und er würde sich sicher mit einem Stück zufriedengeben, ich hingegen wollte sie ganz.
    Der Kraftakt dauerte bereits über eine Minute. Ihr Kleid hielt gut. Ich vergeudete meine Zeit damit, sämtliche Möglichkeiten zu erwägen, dieses verdammte Stoffstück durchzureißen. Die Suche nach einer Lösung dieses Problems trieb mir nicht minder dicke Schweißtropfen auf die Stirn wie der Muskelkampf. Ich war wie besessen von dieser Idee, dachte nur daran, es durchzuschneiden, zu zerreißen, zu zerfetzen, zu verbrennen oder zu zernagen, aber ich kam nicht drauf. Es war aussichtslos … Bis ich plötzlich einen Geistesblitz hatte.
    »Verdammt noch mal! Zieh dir die Ärmel aus!!« rief ich Odile halb kichernd ins Ohr.
    Ich konnte feststellen, daß sie keine war, die vor Angst wie gelähmt oder taub war, was die Sache erschwert hätte. Wir wanden uns einen Moment, um die Operation zu einem guten Ende zu führen, ohne den Alligator aus den Augen zu verlieren. Anscheinend entging ihm der Zweck unserer Verrenkungen. Er war nur ein Muskelpaket mit verkümmertem Hirn, ein tumbes und beschränktes Wesen, das eines Tages erkennen würde, daß es von A bis Z vom Leben reingelegt worden ist und daß Dummheit sich rächt. Alles rächt sich auf die eine oder andere Weise. Sonst wäre es zu einfach. »Man wird sich über alles, was verborgen ist, klarwerden müssen, über jede Handlung, ob gut oder schlecht.«
    Einstweilen befreite ich Odile aus ihrem Kleid.
    Während sie hinter mir fortlief, packte ich meinen Stuhl und schwenkte ihn über meinem Kopf.
     
    »Warum hast du es dir anders überlegt?« fragte sie mich später. Sie wollte wissen, warum ich meinen Stuhl nicht auf den Schädel des Alligators hatte niedersausen lassen. Schon vorhin hatte sie mich fragend angeblickt, aber da war nicht die Zeit für große Worte. Wir standen noch ganz unter dem Schock, aufgeregt, feucht und fiebrig, und ich hatte nur Augen für ihre spärliche Kleidung, deren augenfällige Helligkeit aus dem Halbdunkel stach. Ich hatte ihren zu einer Kugel geballten Slip in der hohlen Hand gehalten, während ich sie im Stehen, gegen die Wand gelehnt, genommen hatte, und meine Faust hatte ihn gedrückt, daß es mich während des gesamten Akts schmerzte.
    Danach hatten wir uns Richtung Bett zurückgezogen. Und wir hatten kein Wort mehr geredet. Jetzt hingegen schien sie fest entschlossen.
    Keine Ahnung, antwortete ich ihr, wahrscheinlich hätte ich Kraft sparen

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