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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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wollen.
    »Ich liebe anständige Männer«, erklärte sie.
    »Ich auch. Ich bin sogar zwei, drei begegnet.«
    Wir hatten unsere Zigaretten hervorgeholt. Ich hatte die Decke über uns gezogen, um uns auf andere Gedanken zu bringen, aber sie liebkoste mich mit ihrem Bein, allerdings ohne großen Erfolg. Ich war keine zwanzig mehr, sie würde sich gedulden müssen. Nun, es ging, sie nahm es mir nicht übel.
    »Die sind nicht so selten, wie du meinst …«
    »Dann reden wir nicht über dasselbe …«
    Sie lag auf der Seite und beobachtete mich, während ich die Wand gegenüber anstarrte. Sie preßte sich an mich, ein Bein quer über meinem Bauch. Sie war nicht ins Bad geeilt, und ich spürte das Ergebnis auf meiner Hüfte, eine klebrige Wärme, die sie mit einer leichten Beckenbewegung bewahrte. Sie legte sich bei ihrem Tun keinerlei Zurückhaltung auf, ihre Scham glitt wie ein zahnloser Mund über meine Haut, hingegen wagte sie es kaum, mich mit den Fingerspitzen zu berühren. Sie hatte versucht, meine Schulter zu streicheln und eine Haarsträhne hinter mein Ohr zu schieben. Das war ihr gar nicht so leichtgefallen. Anscheinend war es um einiges leichter, mit der Hand unter die Decke zu fahren, als schlicht meine Wange zu berühren.
    Ich wollte nicht den Geheimnisvollen spielen, hatte auch nicht vor, sie neugierig zu machen, aber jedesmal, wenn ich den Kopf nach ihr umdrehte, sah ich, daß sie fast blinzelte, sie stützte sich auf dem Ellbogen ab und betrachtete mich mit perplexem Lächeln, was mich ein wenig störte. Daran war ich jedoch gewöhnt. Ich hatte diesen Gesichtsausdruck bei allen Frauen bemerkt, die mir ein wenig nähergekommen waren. Und jede von ihnen hatte mir etwas gebracht, wahrscheinlich hatten sie mich alles gelehrt, was ich wußte, hatten mich Stufe für Stufe auf einen Treppenabsatz gehievt, von dem man auf die Welt herabsehen konnte, ich hingegen, soviel ich sah, hatte ihnen kaum mehr als ein stupides Rätsel zu bieten. Am Ende hatte ich stets begriffen, was eine Frau suchte oder wünschte, und vielleicht hatte ich auch ihr tieferes Wesen erfaßt, von einem Mann hätte ich das allerdings nicht behaupten können. Sie hatten ein Talent, uns mit großen Augen anzuschauen: die Wahrheit war, daß wir die finstere Seite der Gattung Mensch darstellten.
    Ich hatte oft genug darüber nachgedacht, und obgleich ich sozusagen an der Quelle saß, war es mir nie gelungen, völlig klarzusehen. Es gab immer etwas, was mir entging, ob bei mir oder irgendeinem anderen Typen, den ich studierte, etwas nicht Greifbares, das ich mangels Auffassungsgabe als Leere interpretierte. Und aufgrund dessen schaffte ich es nicht, uns genauer zu erkennen, ich rieb mich an dem männlichen Element oder versenkte mich tief hinein, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Diesem Umstand hatte ich es zu verdanken, daß ich nie gewußt hatte, welch tieferes Ziel ich im Grunde verfolgte. Ich verdankte ihm all die kleinen Schikanen, die sich daraus ableiteten. Anna, ein Mädchen, das ich früher einmal gekannt hatte, hatte mir mehr als einmal gesagt, ich hätte Glück, einen Schwanz zwischen den Beinen zu haben, so gehöre mir die Welt. Aber welche Welt? Was gehörte mir? Wie kam sie darauf?
    Ich wollte nicht, daß sie glaubte, jetzt, da wir zur Ruhe gekommen waren, langweile sie mich, aber diese Intimität bedrückte mich ein wenig, und ihre Fragen waren mir unangenehm, zumal sie immer konkreter wurden und mein Privatleben berührten. Ich gab ihr dennoch Antwort und strengte mich an, mir mehr als ein paar Worte abzuringen, obwohl es mich Mühe kostete. Einige belanglose Anekdoten halfen mir vorerst aus der Klemme. Es machte mir nichts aus, ihr die Geschichten aus meiner Jugend zu erzählen, ich stürzte mich kopfüber hinein, sobald sich die Gelegenheit bot, und ich schleppte sie fort, ich führte sie in dunkle Wälder, in denen mir keine Gefahr drohte, ich hielt sie auf Distanz, indem ich ihr ein paar angestaubte Episoden aus meinem Leben überreichte, ein paar Abenteuer, die ich komisch fand und die weit genug weg waren von dem, was ich heute war.
    Am Tag meiner Erstkommunion war mir etwas Merkwürdiges passiert. Alle Welt hatte mich gefragt, was ich gemacht hätte, obwohl ich nichts dafür konnte, und ich habe mich lange gefragt, ob mich der Herrgott höchstpersönlich erschrecken oder für irgend etwas strafen wollte. Wenn ich dieses Mißgeschick erzählte – ich war gemeinsam mit den anderen den Chor hinaufgegangen, und plötzlich hatte

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