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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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andere zu verscherzen. Lieber riß ich mir eigenhändig die Zunge heraus.
    Ich sprang auf, räkelte mich in der Sonne. Ich durfte nicht einschlafen. Und seit einiger Zeit langweilte mich nichts auf der Welt mehr, als wenn man mit mir über Edith und die Palette ihrer Launen sprach. Nicht nur, daß der Tag dafür nicht gereicht hätte, ich hatte zudem das unangenehme Gefühl, daß sie mich bis in dieses entlegene Nest verfolgte, um mir auf den Wecker zu gehen. Sie hätte das bestimmt urkomisch gefunden, da war ich mir sicher.
    Olga hatte ich erobert, oder fast. Der Himmel war strahlend blau, der Cidre und die Landschaft stiegen ihr in den Kopf, sie war in die Bäume geklettert und hatte ihre Äpfel gepflückt, sie sagte, hier sei das Leben ganz anders, sie lächelte in einem fort und meinte ständig, ich hätte mich geändert, oder etwa nicht?!
    Wir gingen, nahezu Schulter an Schulter, zum Hof zurück. Das war wie ein Niesen, das nicht kommt, bei dem man stehenbleibt, bereit, seine Seele zu verkaufen. Ich überlegte, was die endgültige Annäherung auslösen könnte, was uns dazu brächte, den Schritt zu tun.
    Ich erblickte ein Pferd im Stall. Das war vielleicht gar nicht so abwegig. Ich machte es los, führte es in den Hof. Das war mir schon mal passiert, es konnte mir noch mal passieren. Ich schwang mich hinauf. Sie lachte, als sie sah, daß ich meinen Spaß hatte. Ich ritt neben sie, ich tat so, als wollte ich mich hinstellen, dann schmiß ich mich hart auf den Boden und rollte mich vor ihre Füße. Ich hatte Schmerzen, aber endlich war ich in ihren Armen, und das hatte ich gewollt.
    Leider tauchte ihre Mutter hinter dem Kaninchenstall auf und kam im Galopp herbeigerannt, rief, jetzt sei’s passiert, jetzt hätte ich mir die Gräten gebrochen.
    Der Tag verging. Mein Hemd war zerrissen und mein Ellbogen geschwollen, aber das war nicht schlimm, ich dachte nicht einmal daran. Wir gingen am Teich entlang. Ich zitterte noch wegen der Behandlung, die sie meinen Knien hatte angedeihen lassen. Ich hatte meine Hose herablassen müssen, und es war schade, daß sich ihre Mutter gleichzeitig um meinen Ellbogen gekümmert hatte, aber das war auch nicht schlimm, denn mir war Olgas Verwirrung während der Aktion keineswegs entgangen, und ich fand es schade, daß ich mir nicht den Oberschenkel ramponiert hatte.
    In der Ferne hüllte sich das Land in Dunst, der Himmel und ich standen in Flammen. Wir hatten den Eierkuchen zubereitet, aber ihre Mutter hatte dabei Erbsen enthülst. Ich verließ mich fest auf diesen Spaziergang vor dem Essen, auf die Abenddämmerung, auf einen Schauder, auf den milden Duft der Erde, der sie mir halb hingerissen oder bloß schmachtend ausliefern würde – um den Rest würde ich mich kümmern. Sie sprach zu mir von dem Mond über dem Teich, von dem eiskalten und dunklen Wasser, in dem sie sich immer betrachtet habe, und jedes Jahr war sie darin ein wenig größer geworden … Das brachte mich auf eine neue Idee. Ich konnte ohnehin nicht mehr, ich konnte ihr nicht einmal mehr antworten, meine Stirn war in Falten, meine Augen starr, und ein langer Liebesschrei steckte in meiner Kehle. Also tat ich so, als würde ich stolpern, und stürzte mich kopfüber ins Wasser.
    Sie reichte mir die Hand. Ich schlotterte. Sie versuchte mich zu wärmen, indem sie mich an sich zog, was mir vernünftig erschien, dann änderte sie ihre Meinung, um mich sogleich zum Haus zu schleifen.
    »Gott, Junge! Was haste ’n jetzt schon wieder angestellt?!« stöhnte ihre Mutter.
    »Nicht schlimm, Madame! Und bemühen Sie sich bitte nicht!« flehte ich sie an, während mich Olga nach oben schob.
    Sie zog mein Hemd aus. Rieb mir mit Kölnisch Wasser die Brust ein. Ich versuchte, ihre zu berühren.
    »Na, du hast wohl gar keine Hemmungen!« raunte sie mir lächelnd zu.
    Kühn geworden, packte ich ihr Knie und bald darauf ihren Oberschenkel.
    »Nein, jetzt nicht«, flüsterte sie, bevor sie verschwand.
    Ich zog mich um und ging ebenfalls nach unten, nicht ohne zuvor das Bett zu betatschen, um zu sehen, was es hergab.
    Es fehlten Kartoffeln, und Wein mußte auch geholt werden. Ich folgte ihr in den Keller. Stieß sie auf einen Stapel Säcke. Sie ließ mich eine Weile gewähren, dann packte sie meine Handgelenke und erklärte, ich müsse mich gedulden.
    Meiner Meinung nach war sie ein wenig phantasielos. Aber ich nahm daran keinen Anstoß, ich war wieder die Ruhe selbst, jetzt, da die Sache ausgemacht war.
    Welche Heiterkeit erfüllte

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