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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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mich jetzt! Welch wundervolle Harmonie mit der Welt, die mich umgab, und welcher Stolz, diesen Gewaltakt vollbracht zu haben! Oli hatte sich daran die Zähne ausgebissen. Und ich selbst, wie oft hätte ich fast den Mut verloren, weil ich dachte, die Aufgabe sei nicht zu bewältigen. Jeder hätte mir geraten, mein Glück woanders zu versuchen, hätte mich gewarnt, mein Unterfangen sei verrückt, man bumse kein Mädchen, das zum Haushalt gehört und einen von klein auf kennt. Aber ich hatte nicht lockergelassen. Ich hatte durchgehalten, und ich hatte es geschafft. Ich schaute auf die Uhr. Elf Uhr, hatte sie gesagt, wenn ihre Eltern schliefen. Ich war um halb elf vor ihrer Tür erschienen, aber sie hatte mir nicht aufgemacht, sie hatte erklärt, ich käme zu früh. Diesmal beschloß ich, sie fünf Minuten zappeln zu lassen.
     
    Es gab kein Gezeter, keine Handgreiflichkeiten zwischen Olga und mir, wir verloren lediglich nach fünf-, sechsmal die Lust aufeinander. Ich nahm es ihr nicht übel. Wir blieben überdies gute Freunde und fanden uns mitunter als Partner beim Kartenspielen wieder oder bei einer etwas akrobatischen Nummer, denn sie verstand es, sich leicht zu machen, und es gab einige Figuren, die wir in der Vergangenheit gemeinsam ausgearbeitet hatten und die wir immer noch begeistert ausführten, wenn die Twisttänzer schlappmachten. Liegend taugte sie nicht so viel. Es lief nie so, wie sie es wollte. Mittendrin sagte sie einem: »Sag mal, ich hoffe, du hast dich gewaschen« oder: »Ich glaub, ich hab zu viel gegessen« oder auch: »Hör mal, findest du nicht auch irgendwas komisch?« oder aber: »Was machst du denn da?!« Was stellte sie sich eigentlich vor, was ich da machte?! Sie ließ mich stundenlang auf dem Bett warten, um eine neue Creme auszuprobieren. Ich mußte mit ansehen, wie sie sich die Gebrauchsanweisung zum zwanzigstenmal durchlas. Sie bat mich sogar, auch einen Blick darauf zu werfen, um zu wissen, ob ich das genauso verstünde. Oder ich kam herein und zog sie aus, während sie ihr Nähkästchen in Ordnung brachte, und ich wußte im voraus, daß todsicher etwas fehlte, daß wir vergeblich danach suchen müßten und daß es ihr im unpassendsten Augenblick wieder einfallen würde, was dann dazu führte, daß sie sich laut Gedanken machte über das Verschwinden eines Fingerhuts oder Garns, das sie weiß der Himmel wem geliehen hatte.
    Ihr Körper war angenehm, aber da ihr Verstand nie Ruhe fand oder ständig mit etwas anderem, Dringenderem beschäftigt war, kam nicht viel dabei heraus. Wenn sie sich dann doch fünf Minuten auf uns konzentrierte, hatte ich keine Lust mehr. Sie behauptete, das sei nicht schlimm, sie habe genug zu tun, wenn ich zum Fenster ging, um eine Zigarette zu rauchen, und in die Dunkelheit starrte, in der Hoffnung, dort etwas zu finden.
    Oli glaubte mir nicht. Na ja, das sagte er jedenfalls, um sämtliche Einzelheiten zu erfahren. Wenn ich mit ihm redete, wurde mir klar, wie komisch meine Abenteuer waren. Ich erzählte ihm, daß sie mir mal mitten in der Sitzung die Zehen- und Fußnägel geschnitten und mir so jeden Schwung genommen hatte, nur weil sie ein leichtes Knirschen auf den Laken störte. Ich erzählte ihm auch von dem sorgfältig gefalteten Handtuch auf dem Bettvorleger, von der Schüssel daneben, von der Wasserkanne, der Seife, dem Gummiballon zur Spülung und von dem beachtlichen Satz, mit dem sie vom Bett aufsprang, kaum daß wir fertig waren. Oli schlug sich auf die Schenkel, und am Ende lachte ich mit ihm. »Ach du liebes bißchen!« brüllte er und rieb sich die Tränen aus den Augen. »Wann probierst du’s mit den andern?!«
    Wie dem auch sei, diese Geschichte hatte mich aufgemöbelt. Grund, sich zu freuen, hatte man nicht, wenn man die Nachrichten hörte – acht Tage nach dem Waffenstillstand stapelten sich Dutzende von Toten in den Straßen von Algier. Nur aus sich selbst konnte man eine gewisse Befriedigung schöpfen. David, der in Charonne mit einem gebrochenen Arm davongekommen war, warf mir vor, ich hätte kein politisches Bewußtsein, und damit hatte er recht. Ich verstand überdies nicht, warum, aber es war so, daß ich Mühe hatte, mich für diese Dinge zu interessieren. Ich dachte, die Russen und die Amerikaner würden unseren Problemen über kurz oder lang ein Ende machen, also sah ich keinen Nutzen darin, mich da einzumischen. Der Gedanke, daß irgendwelche Generale und Politiker die Welt jeden Moment in Schutt und Asche legen konnten, amüsierte

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