Pas de deux
Ihnen und Collins abgerechnet habe …«
»Also bitte, Sie phantasieren!«
»Lächeln Sie, man schaut uns zu.«
»Um Gottes willen, wie kommen Sie denn darauf?!«
»Ich weiß es nicht. Mag sein, daß ich mich täusche … Aber wehe, Sie versuchen den geringsten Druck auf mich auszuüben, dann mache ich Ihnen das Leben zur Hölle … Und krümmen Sie Edith nur ein Haar, dann ersäufe ich Sie in Ihrem eigenen Blut. Wie soll ich sagen … Versuchen Sie sich nicht mit mir anzulegen, sonst zerfetze ich Sie unter dem Tisch …«
Das passierte am Abend, nach Irvings Beerdigung. Das traf mich voll vor die Brust. Fast wäre ich den Felsen runtergestürzt. Meine Hand schloß sich um das Treppengeländer.
Wegen der Hitze hatten die Collins die Formalien beschleunigt. Ich schwitzte. Ich kam aus dem Krankenhaus, wo man mir den kleinen Finger verbunden hatte. Ich hatte ihn mir gebrochen, als ich Oli verdroschen hatte, und es war noch keine Stunde her, daß man ihn mir wieder gerichtet hatte. Mein ganzer Arm schmerzte. Um das Grab herum waren so viele Blumen, daß man einen widerlichen Geruch einatmete.
Soviel wir wußten, hatte sich Irving nach einer hitzigen Auseinandersetzung mit seinem Vater erhängt. Seine beiden Schwestern hatten uns alles haarklein erzählt, ohne jede Rührung, als handele es sich um einen Unbekannten, der auf der Straße überfahren worden war. Einmal mehr – ein letztes Mal – war diese Scheidungssache zur Sprache gekommen, und Collins hatte seinen Sohn geohrfeigt und gedroht, ihn einsperren zu lassen.
In der Kirche hatte sich Meryl, viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Tränen abzuwischen, noch zurückgehalten. Als sich jedoch der Trauerzug in Bewegung setzte, fing sie an zu gestikulieren und den Richter zu beschimpfen, der vorneweg ging. Ihre Ausbrüche lösten in den Reihen eine gewisse Unruhe aus, Köpfe wandten sich um, und diese Bewegung pflanzte sich bis zur Quelle des Aufruhrs zurück. Oli zog Meryl beiseite, versuchte ihre Verwünschungen an seiner Brust zu ersticken.
Während der Grablegung heftete der Richter seinen Blick auf Edith und mich und fixierte uns einen Moment lang. Wir kannten ihn kaum, hatten uns höchstens einen guten Tag gewünscht, wenn wir ihm auf dem Weg begegnet waren oder an Irvings Seite sein Grundstück durchquert hatten. Doch sein Blick war fürchterlich, und ich wußte nicht, was er dachte, als er uns so anstierte. Nichts Wohlwollendes, wenn man mich fragte. Vielleicht suchte er jetzt, da er keinen Sohn mehr hatte, neue Opfer, an denen er seinen Zorn ablassen konnte.
Wieder im Haus, saßen wir einen langen, traurigen und schweigsamen Nachmittag ab. Oli und Meryl ließen einander nicht los. Es tat mir weh, die beiden anzuschauen. Zum einen, weil in ihrer Beziehung eine solche Sanftmut war, daß es mich schon störte. Zum andern, weil Olis Gesicht dermaßen geschwollen war, daß mir der kalte Schweiß ausbrach.
Meine Wut war überdies verraucht, und ich haute mich seit zwei Tagen vors Geschirr. Ich hatte, ohne mit der Wimper zu zucken, sämtliche Bezeichnungen hingenommen, mit denen man mich nach meinem großen Auftritt bedacht hatte. Es hatte mir sogar eine gewisse Beruhigung verschafft. Am Tag zuvor hatten sie mich von morgens bis abends ignoriert. Mein Finger tat höllisch weh, aber das war das letzte, worüber ich hätte sprechen können. Oli war gelb vor Arnika, und ich hatte keine Lust, noch einen drauf zusetzen. Bis heute morgen hatte mich niemand gefragt, warum ich ein Tuch um die Hand trug. Vielleicht glaubten sie, ich würde Mitleid heischen, würde nur einen Grund für meine Grimassen vortäuschen, wenn ich mich mit dem Geschirr abplackte.
»Wenn Meryl ihn einen Moment freigäbe, würde ich mich gern fünf Minuten neben ihn setzen«, sagte ich mir, während ich die Nudeln abtropfen ließ. Sie waren draußen. Im Licht der untergehenden Sonne glich Olis Kopf einem von innen angestrahlten Zelluloidspielzeug, einem von der bunten Sorte.
Niemand hatte Hunger. Ich schaffte die Schüssel und die Teller wieder nach drinnen. Ich fühlte mich wirklich leer. Edith hatte sich während des Frühstücks nach meinem Finger erkundigt, und sie hatte mich ins Krankenhaus gefahren. Am Nachmittag war sie mit mir schwimmen gegangen. Wir blieben unter uns, als Meryl und Oli zum Strand hinabstiegen.
Ich schenkte ihr jedoch keine Aufmerksamkeit. Die Ereignisse dieser letzten Tage hatten mich ein wenig erschüttert, und ich drehte mich um mich selbst, jeder noch so
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