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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Hinfahrt dazu aufgerafft hatte, aber leider hatte ich das Radio angemacht und war an die Neue von Bob Dylan geraten, Like a Rolling Stone, und ich hatte gedacht, ich sterbe, ich hatte mir auf die Lippen gebissen, und dann hatte ich auf die Straße gestarrt, und kein Striptease und keine Liebeserklärung hätte mich aufwecken können.
    Na schön, das war also weiterhin eine Hängepartie. Der Form halber schenkte ich Oli, als er uns beim Abladen half, ein rätselhaftes Lächeln, genug, um ihm den Rest des Tages zu verderben.
     
    Johnson hat heute morgen verkündet, daß er fünfzigtausend Soldaten nach Vietnam geschickt hat. Irving hat den ganzen Nachmittag getrunken. Überflüssig, ihn zu fragen, ob er sich mit seinem Vater angelegt hat. Diesmal ging es um Vietnam, morgen um etwas anderes. Das macht ihn noch ganz krank. Ein Taubstummendialog mit freudianischem Überguß, auf den wir gern verzichtet hätten.
    Er hat sich mit seinen Bieren in die pralle Sonne gesetzt. Zu guter Letzt haben wir einen Sonnenschirm neben ihn gestellt, weil er sich überhaupt nicht mehr von der Stelle rühren wollte. Ich habe es Meryl und den anderen überlassen, sich abwechselnd zu ihm zu setzen. Ich setze mich nicht neben ihn. Ich beobachte. Ich bin die einzige, die nicht hin und her flattert. Und mein letztes I-Ging hat mir recht gegeben. Ich habe die Unbeweglichkeit gezogen, den Berg: »Das Denken muß sich auf die vorliegende Lebenssituation beschränken. Alle Gedanken und Spekulationen, die darüber hinausgehen, verletzen nur das Herz.«
    Vor einer Stunde erst habe ich Meryl dabei ertappt, daß sie Oli unauffällig anschaute. Das hat mich nur ein wenig überrascht. Langsam kenne ich sie.
    Danach ein Spaziergang im Mondschein mit einem gewissen Jim, der mir seit drei Tagen nachstellt. Ich fand ihn nicht übel, und heute abend war er lustig und nett. Er hat mich in seine Arme genommen, aber ich mußte fürchterlich lachen, als er mich küssen wollte. Ich habe ihm gesagt, es tue mir leid, das sei nervlich bedingt. Und da war nichts zu machen, ich konnte nicht anders. Als wir zurückkamen, suchte Henri-John schon eine Weile nach mir, weil er mit mir tanzen wollte. »Einen Slow?« habe ich ihn gefragt und mußte wieder laut lachen. Wahrhaftig, sie amüsierten mich alle, ausnahmslos, das lag an dem Abend. »Was ist los? Wo kommst du her? Bist du noch ganz dicht?!« Seine Miene verfinsterte sich, als er Jim anstarrte, der hinter mir stand. Und ich, was habe ich getan? Ich habe ihn angelächelt. Das hat ihm den Rest gegeben. Und die anderen kamen hinzu und bettelten, sie wollten wissen, ob wir was in den Beinen hatten, ob er mich wirklich durch die Luft wirbeln konnte, wie er sich wohl gebrüstet hatte. »Schon gut … Lassen wir’s«, hat er geknurrt. »Müßt ihr mir schon aufs Wort glauben.«
    Kein Aufbrausen mehr, kenne ich nicht an ihm. Jetzt sind alle im Bett. Er sitzt allein draußen, und ich höre ihn murmeln. Wahrscheinlich spielt er mit seinen Kordeln.
     
    Meryls Vater hatte weiße Haare. Ich wußte nicht, ob das der Grund war, warum seine Frau nach Europa geflohen war, aber Tatsache ist, daß er ziemlich alt wirkte. Er ähnelte Spaak, der, nebenbei gesagt, auch nicht jünger wurde, während meine Mutter immer noch genauso schön war. Allmählich hatte ich die Nase voll von diesen unzulänglichen Partnerschaften, diesen in die Brüche gegangenen Ehen, diesen desaströsen Verbindungen. Überall dasselbe, wenn ich mich umsah. War nicht der Selbstmord von Ediths Mutter eines der ersten Bilder meiner Kindheit? Waren all diese Männer und all diese Frauen nichts als Idioten und Masochisten?
    »Eins scheinst du nicht zu begreifen«, sagte er eines Morgens zu mir, kurz bevor er nach New York zurückkehrte. »Ich bereue nicht, daß ich es versucht habe. Sicher, ich stimme dir zu, das ist nicht einfach, aber hast du einen besseren Vorschlag?«
    »Besser als was?« antwortete ich ihm mit einem herben Lächeln.
    »Du bist ein intelligenter Junge, Henri-John. Aber damit mache ich dir kein Kompliment. Ein intelligenter Bursche pinkelt nicht gegen den Wind, sondern macht am Ende in die Hose.«
    Ich kannte ihn kaum, diesen Kerl. Er war nur für ein Wochenende aufgetaucht – wir hatten uns ein wenig erschrocken – und verschwand wieder, wie er gekommen war, aber was er mir da gesagt hatte, traf mich wie der Blitz. Dabei hatte ich schon allerlei zu hören bekommen. Im Laufe der Diskussionen, die ich mit Georges führte, mußte ich kaum zu

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