Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Passagier nach Frankfurt

Passagier nach Frankfurt

Titel: Passagier nach Frankfurt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
bestehende. Aber sie sind auch blind. Die Jugend trägt eine Binde vor den Augen. Sie überblicken nicht, wohin sie die Dinge führen. Was kommt als Nächstes? Was steht ihnen vor Augen? Und wer steht hinter ihnen und treibt sie an? Das ist das Erschreckende daran. Weißt du, da ist jemand, der dem Esel eine Karotte vorhält, damit er mitkommt. Und gleichzeitig steht einer hinter dem Esel und treibt ihn mit einem Stecken.»
    «Du hast ja ganz außerordentliche Fantasien.»
    «Das sind keine Fantasien, mein lieber Junge. Das haben die Leute damals über Hitler auch gesagt. Über Hitler und die Hitlerjugend. Aber das war lange und sorgfältig vorbereitet. Es war ein Krieg, der in allen Einzelheiten vorbereitet war. Es gab eine fünfte Kolonne, in mehreren Ländern aufgebaut, voll bereit für die Übermenschen. Die Übermenschen sollten die Blüte der deutschen Nation sein. Das dachten sie und daran glaubten sie leidenschaftlich. Jemand anders glaubt vielleicht heute auch so etwas. Es ist eine Glaubenslehre, die sie willig annehmen werden – wenn sie geschickt genug präsentiert wird.»
    «Von wem sprichst du überhaupt? Meinst du die Chinesen oder die Russen? Was meinst du damit?»
    «Ich weiß es nicht. Ich habe nicht die leiseste Idee. Aber da ist etwas irgendwo, und es bewegt sich auf derselben Linie. Wieder das Muster, siehst du. Das Schema! Die Russen? Niedergehalten vom Kommunismus. Ich glaube, man hält sie für altmodisch. Die Chinesen? Ich glaube, sie haben die Richtung verloren. Zu viel Vorsitzender Mao vielleicht. Ich weiß nicht, wer diese Leute sind und wer die Planung übernimmt. Wie schon gesagt, es geht um das Warum, das Wo, das Wenn und das Wer.»
    «Sehr interessant.»
    «Es ist so beängstigend. Die gleiche Idee kehrt immer wieder. Die Geschichte wiederholt sich. Der junge Held, der goldene Übermensch, dem alle folgen müssen.» Sie hielt inne und fuhr dann fort: «Die gleiche Idee, weißt du. Jung-Siegfried.»

Kapitel 7

Rat von Großtante Matilda
     
    G roßtante Matilda sah ihn an. Sie hatte sehr scharfe und kluge Augen. Stafford Nye hatte das schon früher bemerkt. In diesem Augenblick spürte er es besonders.
    «Also hast du diesen Ausdruck schon gehört», sagte sie. «Soso.»
    «Was hat er zu bedeuten?»
    «Das weißt du nicht?» Sie zog die Augenbrauen hoch.
    «Hand aufs Herz. Ich schwöre, ich weiß es nicht», sagte Sir Stafford wie in alten Kindertagen.
    «Ja, das haben wir immer gesagt, nicht wahr?», erinnerte sich Lady Matilda. «Meinst du das ernst, was du sagst?»
    «Ich weiß wirklich nichts darüber.»
    «Aber du hast die Bezeichnung schon einmal gehört.»
    «Ja. Jemand hat sie mir genannt.»
    «Jemand Wichtiges?»
    «Könnte sein. Ich nehme an, dass das sein könnte. Was meinst du mit jemand Wichtiges?»
    «Nun, du warst in letzter Zeit an einigen Regierungsmissionen beteiligt, nicht wahr? Du hast dieses arme elende Land so gut es ging vertreten. Was, wie ich annehme, auch nicht viel besser war als was andere hätten tun können, indem sie an einem Tisch herumsaßen und redeten. Ich weiß nicht, ob irgendwas dabei herausgekommen ist.»
    «Wahrscheinlich nicht», erwiderte Stafford Nye. «Immerhin, man ist ohnehin nicht optimistisch, wenn man diese Dinge in Angriff nimmt.»
    «Aber man tut sein Bestes», sagte Lady Matilda berichtigend.
    «Ein sehr christliches Prinzip. Wenn man heutzutage sein Schlimmstes tut, kommt man oft sehr viel besser zurande. Was hat das alles zu bedeuten, Tante Matilda?»
    «Ich glaube, ich weiß das nicht», antwortete seine Tante.
    «Nun, du weißt oft viele Dinge.»
    «Nicht genau. Ich schnappe nur hier und da ein paar Sachen auf.»
    «Ja?»
    «Ein paar alte Freunde sind mir geblieben, weißt du. Freunde, die Bescheid wissen. Die meisten sind natürlich stocktaub oder halb blind oder ein bisschen wirr im Kopf oder nicht mehr in der Lage, geradeaus zu gehen. Aber etwas funktioniert noch. Sagen wir, etwas hier oben.» Sie schlug sich auf ihren ordentlich frisierten weißen Kopf. «Es gibt viel Angst und Niedergeschlagenheit. Mehr als gewöhnlich. Das ist eines der Dinge, die ich aufgeschnappt habe.»
    «Gibt es das nicht immer?»
    «Ja, ja, aber dies hier ist stärker. Aktiv statt passiv, könnte man sagen. Seit langem, wie ich als Außenstehende bemerke und du zweifellos als mitten im Geschehen Stehender, haben wir das Gefühl, dass die Dinge im Argen liegen. Sie sind schlimm durcheinandergeraten. Jetzt haben wir aber einen Punkt erreicht, wo wir den

Weitere Kostenlose Bücher