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Passagier nach Frankfurt

Passagier nach Frankfurt

Titel: Passagier nach Frankfurt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ihre konservative Nase in die Höhe. «Als ich ein junges Mädchen war, gab es auch nicht im Entferntesten eine Labour-Partei. Niemand hätte verstanden, was damit gemeint war. Sie hätten es als ‹Unsinn› bezeichnet. Schade, dass es keiner war. Dann sind da natürlich die Liberalen, aber die sind furchtbar schlapp. Und dann sind da die Tories oder die Konservativen, wie sie sich jetzt wieder nennen.»
    «Und was ist mit denen los?», fragte Stafford Nye und lächelte sanft.
    «Zu viele ernsthafte Frauen. Das nimmt ihnen den Frohsinn, weißt du.»
    «Nun, keine politische Partei setzt heutzutage besonders auf Frohsinn.»
    «Eben», sagte Tante Matilda. «Und deshalb machst du einen Fehler. Du willst die Dinge ein wenig lockerer angehen. Du möchtest ein bisschen Frohsinn, und so nimmst du die Leute sanft auf die Schippe. Und das mögen sie natürlich nicht. Sie sagen ‹ Ce n ’ est pas un garcon sérieux › wie der Mann beim Fischen.»
    Sir Stafford lachte. Sein Blick wanderte durch den Raum. «Was schaust du dir an?»
    «Deine Bilder.»
    «Du willst doch nicht, dass ich sie verkaufe, oder? Alle scheinen heute ihre Bilder zu verkaufen. Wie der alte Lord Grampion, weißt du. Er hat seine Turners verkauft und auch einige seiner Vorfahren. Und Geoffrey Gouldman. All seine wunderbaren Pferdebilder. Waren sie nicht von Stubbs? Irgend so was. Wirklich, die Preise, die man erzielt!
    Aber meine Bilder will ich nicht verkaufen. Ich mag sie. Die meisten in diesem Raum sind wirklich von Interesse, weil es Vorfahren sind. Ich weiß, dass heute keiner mehr Wert auf Vorfahren legt, aber ich bin eben altmodisch. Ich liebe Vorfahren. Meine eigenen Vorfahren natürlich. Wen siehst du da an? Pamela?»
    «Ja. Ich habe neulich an sie gedacht.»
    «Erstaunlich, wie sehr ihr euch ähnelt. Ihr seid ja keine Zwillinge, obwohl man sagt, dass Zwillinge bei unterschiedlichem Geschlecht nicht eineiig sein können. Sie können nicht identisch sein, wenn du verstehst, was ich meine.»
    «Also muss Shakespeare bei Viola und Sebastian ein ziemlicher Fehler unterlaufen sein.»
    «Nun, auch normale Brüder und Schwestern können sich ähneln, oder? Du und Pamela, ihr wart euch immer sehr ähnlich. Äußerlich zumindest.»
    «In anderer Hinsicht nicht? Denkst du nicht, wir waren uns auch ähnlich im Charakter?»
    «Nein, nicht im Mindesten. Das ist das Interessante daran. Aber natürlich hatten Pamela und du das, was ich das ‹Familiengesicht› nenne. Kein Nye-Gesicht. Ich meine das Baldwen-White-Gesicht.»
    Sir Stafford Nye hatte sich nie als konkurrenzfähig betrachtet, wenn es um ein Gespräch über Fragen der Genealogie mit seiner Großtante Matilda ging.
    «Ich habe immer gedacht, dass Pamela und du beide nach Alexa geraten seid», fuhr sie fort.
    «Wer war denn Alexa?»
    «Deine Urur-, ich glaube, noch ein Ur- mehr, -Großmutter. Eine ungarische Gräfin oder Baronesse oder so was. Dein Ururgroßvater verliebte sich in sie, als er in Wien bei der Botschaft war. Ja. Ungarin. Das war sie. Auch sehr sportlich. Sie sind sportlich, die Ungarn, weißt du? Sie war Jagdreiterin, mit der Meute, sie ritt erstklassig.»
    «Hängt sie auch in der Bildergalerie?»
    «Sie hängt auf dem ersten Treppenabsatz. Genau über dem Ende der Treppe, ein bisschen weiter rechts.»
    «Ich werde sie mir ansehen, bevor ich zu Bett gehe.»
    «Warum schaust du sie dir nicht jetzt an? Und dann kannst du wiederkommen und wir können über sie sprechen.»
    «Das werde ich tun, wenn du möchtest.» Er lächelte sie an.
    Er rannte aus dem Zimmer und die Treppe hinauf. Ja, sie hatte scharfe Augen, die gute Matilda. Das war das Gesicht, das er gesehen hatte und an das er sich erinnerte. Nicht wegen der Ähnlichkeit mit ihm selbst, nicht einmal wegen der Ähnlichkeit mit Pamela, sondern wegen einer noch stärkeren Ähnlichkeit mit diesem Bild dort. Ein gut aussehendes Mädchen, heimgebracht von seinem Botschafter-Urururgroßvater, wenn das genug der Urs waren.
    Tante Matilda konnte sich nicht mit nur ein paar davon zufrieden geben. Sie war damals ungefähr zwanzig. Die temperamentvolle junge Frau war eine meisterhafte Reiterin und tanzte göttlich, und die Männer lagen ihr zu Füßen. Aber, so wurde berichtet, sie war dem Urururgroßvater treu, ein sehr standhaftes und nüchternes Mitglied des Diplomatischen Dienstes. Sie hatte ihn in ausländische Botschaften begleitet und war dann hierher zurückgekehrt, hatte Kinder bekommen – drei oder vier, so glaubte er. Von einem

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