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Passagier nach Frankfurt

Passagier nach Frankfurt

Titel: Passagier nach Frankfurt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Nachricht übermittelt, die ich Ihnen meiner Ansicht nach auf jeden Fall mitteilen sollte. Sie wirft ein interessantes Licht auf gewisse Ereignisse, die uns verwirrt und beängstigt haben. Dies ist Dr. Reichhardt.»
    Er wurde ringsum vorgestellt. Dr. Reichhardt war ein großer, gemütlich wirkender Mann mit der Angewohnheit, von Zeit zu Zeit ‹ach ja› zu sagen.
    «Dr. Reichhardt leitet eine große Institution in der Nähe von Karlsruhe. Er behandelt dort Geisteskranke. Ich gehe doch richtig in der Annahme, dass Sie dort fünf- bis sechshundert Patienten behandeln, oder?»
    «Ach ja», sagte Dr. Reichhardt.
    «Ich nehme an, Sie behandeln verschiedene Arten von Geisteskrankheit?»
    «Ach ja. Wir haben dort unterschiedliche Geisteserkrankungen, aber ich habe ein besonderes Interesse und behandle fast ausschließlich eine spezielle Art von Geistesgestörtheit.» Er fiel ins Deutsche und Herr Spiess gab eine kurze Übersetzung für den Fall, dass einige seiner englischen Kollegen nicht alles verstanden. Das war sowohl nötig als auch taktvoll. Zwei verstanden es teilweise, einer gar nicht, und die beiden anderen waren offensichtlich verwirrt.
    «Dr. Reichhardt hatte», erklärte Herr Spiess, «die größten Erfolge bei seiner Behandlung von Megalomanie, was der Laie wohl Größenwahn nennen würde. Die Überzeugung, dass man jemand anders ist als man selbst. Die Einbildung, man sei viel wichtiger als in Wirklichkeit. Vorstellungen von Verfolgungswahn –»
    «Ach nein!», sagte Dr. Reichhardt. «Verfolgungswahn, nein, das behandle ich nicht. In meiner Klinik gibt es keinen Verfolgungswahn. Nicht in der Gruppe, für die ich mich besonders interessiere. Im Gegenteil, sie haben ihre Wahnvorstellungen, weil sie glücklich sein wollen. Und sie sind glücklich, und ich kann sie glücklich halten. Wenn ich sie aber heile, sehen Sie, dann werden sie nicht mehr glücklich sein. Also muss ich eine Behandlung finden, die sie in die Normalität zurückführt und doch glücklich bleiben lässt. Wir nennen diesen speziellen Geisteszustand –»
    Er murmelte einen langen und sehr deutsch klingenden Ausdruck mit mindestens acht Silben.
    «Für unsere englischen Freunde werde ich weiterhin den Ausdruck Größenwahn benutzen», fuhr Herr Spiess schnell fort, «obwohl ich weiß, dass das nicht der Terminus ist, den Sie heute verwenden, Dr. Reichhardt. Also, Sie haben, wie gesagt, sechshundert Patienten in Ihrer Klinik.»
    «Zu jener Zeit, auf die ich mich gleich beziehen werde, hatte ich achthundert.»
    «Achthundert!»
    «Es war interessant – sehr interessant!»
    «Sie haben solche Personen – um am Anfang zu beginnen –»
    «Wir haben Gott, den Allmächtigen», erklärte Dr. Reichhardt. «Sie verstehen?»
    Mr. Lazenby sah leicht entsetzt aus.
    «Oh – hm, ja – hm – ja. Sehr interessant. Sicherlich.»
    «Es gibt da ein oder zwei junge Männer, natürlich, die glauben, sie seien Jesus Christus. Aber der ist nicht so beliebt wie der Allmächtige. Dann gibt es wieder andere. Zu der Zeit, die ich erwähnen möchte, hatte ich vierundzwanzig Adolf Hitlers. Sie müssen verstehen, das war zu Lebzeiten Hitlers. Ja, vier- oder fünfundzwanzig Adolf Hitlers –» er konsultierte ein kleines Notizbuch, das er aus der Tasche gezogen hatte. «Ich habe mir hier einige Notizen gemacht. Fünfzehn Napoleons, er war immer sehr beliebt. Zehn Mussolinis, fünf Reinkarnationen von Julius Cäsar und viele andere Fälle, sehr kurios, sehr interessant. Aber ich will Sie damit im Augenblick nicht ermüden. Da Sie im medizinischen Sinne nicht besonders qualifiziert sind, wäre es für Sie ohnehin nicht von Interesse. Wir kommen jetzt zu dem fraglichen Ereignis.»
    Dr. Reichhardt sprach noch einmal, etwas kürzer, und Herr Spiess fuhr fort, zu übersetzen:
    «Eines Tages besuchte ihn ein Regierungsvertreter. Hoch angesehen bei der damaligen Regierung – das war zu Kriegszeiten, müssen Sie bedenken. Ich will ihn fürs Erste Martin B. nennen. Sie werden wohl wissen, wen ich meine. Er brachte seinen Vorgesetzten mit. Er brachte tatsächlich – nun, wir wollen kein Geheimnis daraus machen – den Führer selbst mit.»
    «Ach ja», sagte Dr. Reichhardt.
    «Es war eine große Ehre, dass er zur Besichtigung kam, verstehen Sie», fuhr der Doktor fort. «Er war sehr zuvorkommend, der Führer. Er sagte mir, er habe sehr positive Berichte über meine Erfolge erhalten. Er sagte, es habe kürzlich Probleme gegeben. Bestimmte Fälle in der Armee. Dort habe es mehr

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