Passionsfrüchtchen
Heute war wieder so ein Tag, wo alles gleichzeitig passieren musste. Sie hängte die gewünschte Datei an die Mail an und drückte auf Senden. So, das war erledigt. Da war doch noch etwas, das sie erledigen sollte. Was war das noch gewesen? Es würde ihr schon wieder einfallen. Vielleicht konnte sie ja jetzt endlich in Ruhe die Korrespondenz zu Ende sichten. Aber nein. Schon wieder klingelte das Telefon. Es war heute wirklich nicht zum Aushalten.
„Guten Tag, Mertens & Mittermaier, Gudrun Makowiak.“
Nizza zeigte sich von seiner besten Seite und empfing die gelandeten Passagiere mit einem strahlend blauen, wolkenlosen Himmel. Als Nina aus dem Flieger stieg, blendete die Sonne sie. Ein warmer Wind wehte ihr ins Gesicht. Sie kramte in ihrer Handtasche nach ihrer Sonnenbrille und setzte sie auf. Schon besser. Sie schloss sich den anderen Fluggästen an, um ihr Gepäck abzuholen. Zwanzig Minuten später zog sie ihren Koffer hinter sich her und ging durch die Schiebetüren in die Ankunftshalle. Sie schaute sich um. Dann erblickte sie Corinne, die ihr aus einigen Metern Entfernung zuwinkte.
„Bonjour, ma belle. T’as fait un bon voyage?“
Corinne tauschte mit Nina die typisch französischen Begrüßungsküsse auf die Wangen aus, und führte Nina zum Parkplatz. Vierzig Minuten später waren sie in der Avenue des Mimosas, in Corinnes Appartement.
„Am besten, du stellst deinen Koffer erst mal hier ab. Wir essen schnell eine Kleinigkeit und dann zeige ich dir meinen Catering Service. Du kannst die anderen schon mal kennenlernen und dir alles zeigen lassen, d’accord?“
Corinne zauberte ein paar Kleinigkeiten aus dem Kühlschrank hervor. Oliven, luftgetrockneten Schinken, Melone und ein bisschen Salami. Dazu gab es einen Tomatensalat mit Olivenöl und frisches Baguette.
„Entschuldige bitte, aber mittags habe ich nicht viel Zeit. Ich koche uns heute Abend etwas Schönes, ja?“
Nina war mit der improvisierten Mahlzeit vollauf zufrieden. Sie fühlte sich wie im Urlaub, und nicht, als ob sie Corinne mit ihrem Catering Service bei den Filmfestspielen helfen sollte. Wie wunderbar musste es sein, wenn man hier lebte und dieses Gefühl jeden Tag haben konnte.
Als sie ihre Mahlzeit beendet hatten, fuhren sie in dem blauen Peugeot zu Corinnes Catering Service. Der Wagen bog in eine kleine Seitenstraße des Boulevard d’Alsace, fuhr durch eine Toreinfahrt in einen Hinterhof und hielt neben einem gelben Transporter mit schwarzer Aufschrift Service
Traiteur - Corinne Maréchal & Cie
. Corinne stieg aus dem Wagen und ging auf eine Tür im Hinterhof zu.
„Komm!“ Sie winkte Nina, ihr zu folgen.
Nina fand sich in einem komplett gefliesten Raum wieder, in dem es hallte, wie in einem Schwimmbad. Sie zählte fünf Angestellte, die geschäftig in der Küche unterwegs waren. Bei ihrem Erscheinen hatten sie nur kurz den Blick gehoben. Nina hatte noch nie eine Profi-Küche von innen gesehen. In der Mitte des Raumes befand sich eine große Insel bestehend aus mehreren Edelstahltischen, die im unteren Bereich jeweils einen Einlegeboden hatten. Darauf stapelten sich Teller und Kochgeschirr. Wo normalerweise die Tischplatte war, gab es hier entweder eine glatte Edelstahlfläche oder in die Fläche eingelassene Gasmulden.
In zweiter Reihe standen rechts und links von der Kochinsel weitere ähnliche Tischgestelle, die jedoch anstelle von Kochstellen Wasserbecken und Arbeitsflächen aufwiesen. Über der Kochinsel thronte eine riesige Abzugshaube. Außerdem standen an den Wänden zwei mannshohe Edelstahlregale mit Plastikeimern und Gläsern, in denen sich Gewürze und andere Zutaten befanden.
„Komm mit, ich zeige dir alles.“ Corinne steuerte auf die Kochinsel zu. „Hier kochen wir unsere Gerichte. Das sind Jean-Paul und Maurice, meine Köche und Partner.“
Die beiden Köche sahen kurz zu Nina auf und nickten ihr ein freundliches Bonjour zu.
Corinne ging um die Kochinsel herum und stand vor einer langen Theke, die quer zu den übrigen Edelstahltischen stand.
„Und hier werden die Speisen angerichtet. Danach kommen sie in diese kleinen Wagen dort auf die Tabletts und werden dann zu unseren Kunden gefahren. Ist gar nicht so schwer, oder?“
„Und was soll ich machen?“
„Du wirst mir und den beiden Kellnern beim Servieren helfen. Simone und Marc sind noch nicht da, sie kommen erst gegen vier. Du kannst ihnen helfen, die Speisen auf die Tabletts zu räumen, alles zu verstauen und in den Lieferwagen zu schieben,
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