Passionsfrüchtchen
zu trauen? André hatte ihm gesagt, er solle um zwölf unten am Empfang nach ihr fragen. Sie sollte ihn dann abholen und mit in sein Büro nehmen. Alles, was Sven bräuchte, wäre sein Laptop mit der Präsentation. Frau Makowiak würde das Gespräch annehmen und in Andrés Büro durchstellen. Er wäre dort absolut ungestört, denn die Sekretärin hätte strikte Anweisung, niemanden hineinzulassen. Außerdem hatten die meisten seiner Mitarbeiter sowieso einen Brückentag genommen, genau wie er selbst. Die Übrigen wussten, dass er nicht da war, und gingen mit Sicherheit früh nach Hause. Die Telefonkonferenz sollte um halb eins beginnen. Spätestens nach einer Stunde wäre alles überstanden, hatte André beteuert.
Wieso hatte er sich nur darauf eingelassen? Es war vollkommen idiotisch, was André da von ihm verlangte. Und wieso konnte ihn nicht einer seiner Mitarbeiter vertreten?
Sven ging im Wohnzimmer umher. So nervös war er schon lange nicht mehr gewesen. Er klappte den Laptop zu, schenkte sich einen Whiskey ein, und nahm einen Schluck. In Gedanken ging er die smart & cool Präsentation noch einmal durch. Inzwischen hatte er sie so oft angesehen, dass er sie schon auswendig kannte. Er schüttelte den Kopf. Smart & cool. Schon den Titel fand er daneben. So würden sie die Zielgruppe nie erreichen. Und er musste obendrein so tun, als sei das Konzept so gut wie perfekt. Was für eine grauenvolle Vorstellung. Die ganze Präsentation war eine einzige Schwachstelle. Geradezu lächerlich.
Sven trank den Whiskey aus und klappte den Laptop wieder auf. Ganz egal, was André ihm gesagt hatte, wenn er dieses Gespräch führen sollte, dann musste er auch vertreten können, was er zu sagen hatte. Er öffnete die Datei und begab sich an die Arbeit.
Nina betrachtete ihr Erscheinungsbild im Spiegel. War das rotgetupfte Kleid nicht zu leger für ein Vorstellungsgespräch? Etwas Einfarbiges wäre sicher besser gewesen. Aber das Wetter war endlich mal wieder schön und sie hatte Lust, das Kleid anzuziehen. Sie nahm eine weiße Bolero-Jacke aus dem Schrank, die sie dazu anprobierte. Das schien die Lösung zu sein. So konnte sie vormittags im Büro nur das Kleid tragen und zu dem Gespräch die Jacke überziehen. Zufrieden schlüpfte Nina in ihre Pumps, hängte sich ihre Tasche über und verließ die Wohnung, um zur Arbeit zu fahren.
Auf den Straßen war nicht viel los. Man merkte, dass viele Berufstätige einen Brückentag genommen hatten. Nina freute sich, dass sie als Entschädigung für den Arbeitstag wenigstens einen guten Parkplatz gefunden hatte. Sie ging durch den Haupteingang von M&M und grüßte den Pförtner. Mit dem Fahrstuhl fuhr sie in den fünften Stock. Die Tür zu ihrem Bereich öffnete sie mit dem elektronischen Schlüssel. Nur Kathrin war schon da und hatte bereits Kaffee aufgesetzt. Nina war froh, nicht ganz allein zu sein in dem großen Büro. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, um den PC hochzufahren. Erfahrungsgemäß dauerte das immer ein Weilchen, sodass sie Zeit hatte, die Faxe zu sortieren, die sich im Gerät stapelten. Sie begann ihre E-Mails zu bearbeiten und vertiefte sich in ihre Arbeit.
Als sie das nächste Mal auf die Uhr schaute, war der Vormittag fast um. Sie hatte eine Menge erledigt. Es war gar nicht so schlecht, an einem Tag zu arbeiten, an dem sonst alle auf Kurzurlaub waren. So viel schaffte sie sonst nicht in dieser Zeit. Nina unterbrach ihre Arbeit, um sich einen Kaffee zu holen, und ein Schwätzchen mit ihrer Kollegin einzulegen. Nachdem sie sich wieder an ihren Tisch gesetzt hatte, schaute sie erneut zur Uhr: zehn nach zwölf. Weniger als zwei Stunden bis zum Vorstellungstermin. Allmählich machte sich ihre Nervosität wieder bemerkbar. Sie dachte an Sandras Worte: „Versuche es positiv zu sehen: Nimm es als einen Test, du hast doch nichts zu verlieren. Hör auf deinen Bauch.“
Wenn ich es doch wirklich nur als einen Test sehen könnte, dachte Nina. Nach einer halben Ewigkeit, so schien es, war der Zeitpunkt endlich da. Sie verabschiedete sich von Kathrin. Dann machte sie sich auf den Weg in die achte Etage zum Büro von André Schuster.
„Ich freue mich schon, Schuster-san, Sie morgen in Düsseldorf zu treffen. Kennen Sie einen guten Golfclub?“, fragte Wataru Sakamura.
Sven atmete auf. Das Gespräch hatte fast neunzig Minuten gedauert, aber er hatte es ohne große Schwierigkeiten geschafft. Ein paar Mal drohte die Situation zwar brenzlig zu werden, aber Sven hatte sich gut
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