Passionsfrüchtchen
„wir haben uns nicht nur über Marketing ausgetauscht.“
Zunächst konnte Sven am anderen Ende der Leitung nur Schweigen vernehmen. Aber dann lachte André. „Das hätte ich mir denken können. Du kannst wohl nie aus deiner Haut, was? Musst du dein Jagdrevier jetzt schon auf die weiblichen Angestellten unserer Firma erweitern?“
„Das verstehst du ganz falsch.“
Sven erzählte André die ganze Geschichte. Wie er Nina am Flughafen das erste Mal wahrgenommen hatte, dann die Begegnung bei den Filmfestspielen in Cannes, und schließlich das Treffen in Andrés Büro. Sie war nur ein flüchtiger Schatten gewesen, ein Hauch, der im Nu wieder verweht war. Aber dann hatten sich ihre Wege wieder gekreuzt, und nun hatte er seit langer Zeit wieder so etwas wie echte Leidenschaft gefühlt. André hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen. Als Sven geendet hatte, räusperte er sich.
„Also, wenn du meine ehrliche Meinung willst: Ich denke, es hat dich voll erwischt. Wann willst du es ihr sagen? Oder weiß sie es schon?“
„Ihr was sagen?“, fragte Sven verdattert zurück.
„Nun ja … dass du nicht ich bist. Du weißt schon, du bist Sven Sonntag. Nicht der Marketingleiter von M&M, sondern …“
„Ja ja, ich weiß schon“, kam die Antwort durchs Telefon. „Nein, ich habe es ihr noch nicht gesagt. Es hat sich nicht ergeben.“
Sven bat seinen Freund, nichts zu unternehmen. Er wollte den richtigen Zeitpunkt abpassen, um es Nina schonend beizubringen. André sah die Dinge anders.
„Du solltest es ihr sagen, Kumpel. Und zwar so schnell wie möglich.“
Aber Sven blieb bei seinem Standpunkt. Der richtige Moment würde sich schon noch ergeben. Bis dahin bat er André um Diskretion. Sie beschlossen noch, dass sie demnächst wieder einen Billardabend zusammen verbringen wollten, und verabschiedeten sich voneinander.
*
Der Montag im Büro verging wie im Flug. Nina war in Hochstimmung. Nichts konnte sie heute aus der Fassung bringen. Draußen regnete es und der Wind pfiff um die Häuser, aber für Nina war die Welt nie schöner. Sie dachte an die Nacht mit André, und wie sehr sie es genossen hatte, am Morgen in seinen Armen aufzuwachen. Sie hatten sich erneut geliebt und erst gegen Mittag war er aufgebrochen.
Als sie am Montagabend von der Arbeit nach Hause kam, hatte sie eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter. Der Klang seiner Stimme ließ ihr Herz noch höher schlagen – sofern das überhaupt möglich war. Er rief am gleichen Abend noch einmal an und sie telefonierten über eine Stunde, bevor sie sich für den nächsten Tag zum Essen bei Ninas Lieblingsgriechen verabredeten.
Nina fiel es schwer, ihre Freude für sich zu behalten. Wie immer, wenn ihre Gefühle sie überwältigten, wollte sie sie mit jemandem teilen. Aber André hatte sie gebeten, mit niemandem aus der Firma darüber zu sprechen, um nicht irgendwelchen Gerüchten Nahrung zu bieten. Schade. Wenigstens Sandra hätte sie gerne von diesem Wochenende erzählt. Aber vielleicht war es auch ganz gut, Sandra diesmal nicht alles haarklein zu berichten. Schon als sie ihr erzählt hatte, dass sie von Herrn Schuster gefragt worden sei, ob sie ihm helfen könne, hatte Nina den Eindruck gehabt, Sandra sei eifersüchtig gewesen.
„Das sieht ihm aber gar nicht ähnlich“, hatte Sandra gesagt. „Ich dachte, er sei verheiratet. Da musst du ja einen Mordseindruck auf ihn gemacht haben.“
Nina entschied, dass es im Moment so das Beste sei, und freute sich umso mehr auf das Wiedersehen mit André am nächsten Tag.
Juli
In den vergangenen zwei Wochen hatte Sven sich beinahe täglich mit Nina verabredet. Er fühlte sich in ihrer Gegenwart wohl. Sie gab ihm ein gutes Gefühl und neues Selbstvertrauen. Nichts schien ihm unmöglich. Seine überschüssige Energie verbrauchte er im Fitness-Studio, wo er länger und härter trainierte als je zuvor. Er wollte so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen. Deshalb hatte er beschlossen, sich zwei Wochen Urlaub zu genehmigen. Immerhin war dies das erste Mal seit fast vier Jahren und zum Glück konnte er es sich leisten.
Allmählich jedoch nahmen die kleinen Notlügen und Ausweichmanöver überhand. Nina hatte ihn neulich schon gefragt, warum sie nie mehr in sein Haus fuhren, sondern sich immer nur bei ihr trafen. Auch über seine Arbeit konnte er nichts erzählen. Und wenn Nina von einem Kollegen oder Abteilungsleiter sprach, den André mit Sicherheit kannte, fiel es ihm immer schwerer, sich zu verstellen und so zu
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