Password - Zugriff für immer verweigert
aufmachen«, sagte sie. »Aber dann musst du die Fußfesseln umlegen.«
Jerro starrte auf die Wände. Es war, als würden sie jeden Tag näher kommen und das Zimmer langsam aber sicher schrumpfen.
Er schüttelte heftig den Kopf.
»Dachte ich mir schon.« Sie wünschte ihm wie immer guten Appetit und ging.
Eine halbe Stunde später kam sie zurück, um ihn ins Bad zu begleiten. Jerro zog nach dem Duschen nur eine kurze Hose an, setzte sich vor den Ventilator und hielt sein Gesicht davor.
Mister Sulu hatte gesagt, die Zeit sei noch nicht reif und er könne Jerro noch nicht gehen lassen. Aber warum denn nicht? Worauf wartete er bloß?
Und dann diese seltsame Bemerkung: Wenn alles vorbei ist, weiß er sowieso nichts mehr davon. Ganz bestimmt! Jerro war sicher, dass er mindestens einen Felsen auf den Kopf bekommen müsste, um diesen Dreckskerl von Sulu je zu vergessen. Es wäre ein Kinderspiel, ein Phantombild von ihm anfertigen zu lassen – »Kennen Sie Star Trek?« – und von Nel übrigens auch. Die Trottel hatten ihm nie die Augen verbunden.
Der Ventilator knirschte leise. Jerro beugte sich vor, damit ihm die kühle Luft durch die Haare pusten konnte.
Und da fiel ihm etwas Schreckliches ein. Vielleicht war es ja egal, dass er wusste, wie seine Entführer aussahen, weil sie gar nicht vorhatten, ihn jemals gehen zu lassen.
Trotz der Hitze wurde ihm eiskalt.
Wenn man tot war, wusste man auch nichts mehr …
7.
Der Gedanke war wie ein Widerhaken, Jerro bekam ihn nicht mehr aus dem Kopf: Mister Sulu würde ihn ermorden. Nicht sofort, aber sobald die Zeit reif war. Sobald er Jerro nicht mehr brauchte, um Grundrisse zu zeichnen, Passwörter zu verraten und persönliche Fragen zu beantworten. Sobald Jerro nicht mehr als lebender Beweis dienen musste, weil das Lösegeld bereits gezahlt war.
Er zog die Schublade auf und nahm das Messer aus dem Etui. Der Griff fühlte sich glatt und kühl an in seiner verschwitzten Hand. Er stand auf, ging durch das Zimmer und stellte sich vor, er sei der rote Ritter Johann mit seinem Schwert. Der wüsste sich zu verteidigen.
Ihm wurde schwindelig und er musste sich kurz auf das Bett setzen. Trotz des Ventilators wurde das Zimmer immer mehr zum Backofen. Wer weiß, vielleicht starb er ja ganz von allein durch Überhitzung und Austrocknen. Praktisch für Sulu.
Mit einem Seufzer ließ er sich nach hinten fallen und blieb eine Weile liegen. Er streckte den Arm aus und beobachtete seine Hand mit dem Messer, wie man zu einem Flugzeug am Himmel aufschaut. Er rang mit einem unsichtbaren Gegner und stieß Kampfgeräusche aus. Er klappte das Messer auf und zu, auf … Da knirschte der Schlüssel im Schloss.
»Ich habe Wasser für dich«, erklang es vom Treppenabsatz.
Schnell steckte er das Messer in die Tasche seiner kurzen Hose und öffnete Nel und ihrem unzertrennlichen Taser die Tür. Jerro betrachtete den Elektroschocker mittlerweile als eine Art Verlängerung ihres rechten Arms – wie eine hautfarbene Prothese, die aus Versehen ein wenig zu rosa ausgefallen war. In der linken Hand hielt sie eine Kanne Wasser, in der Eiswürfel schwammen. Ihre Strickjacke hatte sie sich um die Taille gebunden. In der rechten Tasche steckte ein Limonadenglas.
»Puh, hier ist es ja nicht zum Aushalten«, sagte sie.
»Stimmt.« Jerro nahm die Kanne von ihr entgegen. »Kann ich nicht vielleicht in ein anderes Zimmer umziehen? Eines mit Fenstern, die man aufmachen kann?«
Sie dachte nach. »Ich setze mich gleich ein wenig zu dir, dann können wir die Tür offen lassen. Wenn ich gleichzeitig auch alle anderen Fenster und Türen öffne, gibt es einen schönen Durchzug.« Sie reichte ihm das Glas. »Hier. Bei diesem Wetter muss man besonders viel trinken.«
Jerro füllte das Glas und leerte es in einem Zug. Nel erinnerte ihn an Kasia. Er musste aufpassen, sonst würde er sie noch nett finden.
Es war dämmrig im Zimmer. Nel hatte den dicken Vorhang zugeschoben, um die Sonne auszusperren. Die Tür stand sperrangelweit auf. Jerro saß im Schneidersitz auf dem Bett, den Rücken an die Wand gelehnt. Nel hatte sich auf dem Stuhl postiert, natürlich wie immer bewaffnet. Ihre Strickjacke war unten geblieben. Sie trug dieselben Slipper wie immer, jetzt aber ohne Socken. Alles in allem sah sie schon ziemlich armselig aus.
»Warum machst du das eigentlich?«, fragte Jerro. »Ich verstehe schon, dass du reich werden willst, aber wir wissen doch beide, dass ich hier nicht mehr lebend rauskomme.«
Sie erschrak.
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