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zum hundertsten Mal zum Fenster. Die Stirn an die Scheibe gepresst, starrte er nach unten.
Huch? Da kam jemand über den zugewachsenen Pfad in diese Richtung.
Jerro fiel fast in Ohnmacht vor Verblüffung und Freude.
Das war nicht einfach irgendjemand. Das war Mick!
Teil 5
Stefans Geschichte
One life ends, another begins.
(Avatar)
1.
Es hatte zur letzten Stunde geklingelt. Sobald Stefan mit seinem Rucksack über der Schulter den Schulhof betreten hatte, suchte er die gegenüberliegende Straßenseite ab.
Fuck! Der kleine Muskelprotz stand wieder dort. An genau derselben Stelle – dicht am Zaun, im Schatten der Eiche.
Während der Mittagspause hatte er auch schon dort gestanden und immer zu Stefan hinübergesehen. Irgendwann hatte er ihn sogar gerufen.
»Was willst du?«, hatte Stefan gefragt, während er auf sicherem Abstand blieb.
»Ich möchte, dass du mich kurz begleitest«, sagte der Mann.
»Das ist wohl ein Scherz!«
»Ich will unter vier Augen mit dir sprechen.«
Stefan dachte gar nicht daran. Normale Erwachsene stellten sich nicht an einen Schulhof und lauerten Jungs auf. Er kannte die Geschichten über abartige Priester und andere Fieslinge zur Genüge – so was war ja fast täglich in den Nachrichten.
Der Mann kam näher. »Es gibt eine großzügige Belohnung.«
»Zieh Leine, du Drecksack«, hatte Stefan gesagt.
»Ja«, war ihm Mark aus seiner Klasse zu Hilfe gekommen. »Oder müssen wir erst ein paar Lehrer rufen?«
Als noch mehr Schüler drohend auf ihn zukamen, hatte der Mann den Rückzug angetreten und war verschwunden. Aber jetzt stand er wieder da, als wäre er nie weg gewesen. Stefan hatte keine Angst. Bestimmt nicht. Es war nur einfach klüger, einen möglichst großen Bogen um solche Typen zu machen. Er schaute von dem Mann zum Fahrradunterstand.
Er brauchte ein Fluchtfahrzeug.
Streuselkuchen kam gerade mit seinem Rad unter dem Wellblechdach hervor und fuhr auf das Tor zu. Eigentlich hieß er Wesley, aber alle nannten ihn Streuselkuchen oder kurz Streusel, weil sein Gesicht voller Pickel war. Seine fettigen Haare klebten wie eine erschlagene Vogelspinne auf seiner Stirn, und als wäre das noch nicht genug, hing auch noch ein durchdringender Schweißgeruch um ihn. Kein Wunder, dass in der Klasse niemand neben ihm sitzen wollte.
Ein Junge wie Streuselkuchen konnte es sich nicht leisten, Stefan eine Bitte abzuschlagen. Eigentlich durfte er schon froh sein, nicht gehänselt zu werden. Na ja, zumindest nicht richtig.
»He, Streusel!« Stefan legte einen Sprint ein, bis er das Fahrrad eingeholt hatte. »Nimm mich mit.«
Der Junge hatte keine Chance, Stefan saß schon auf Streusels Gepäckträger und schob seine Schultertasche zur Seite, damit sie weniger im Weg hing. Sie schlingerten kurz, holperten dann über den Platz und anschließend den Bürgersteig hinunter.
Der Mann am Baum hob die Hand und rief: »He, warte doch mal!«
»Treten!«, kommandierte Stefan, während er Streusels klammen Rücken mit seinem Unterarm anfeuerte.
»Du wohnst doch in der anderen Richtung?«
»Jetzt mach schon«, sagte Stefan ungeduldig. »Das erkläre ich dir später.«
Sie nahmen Fahrt auf. Stefan versuchte, Streusels Körpergeruch zu ignorieren, und feixte zu dem Mann hinüber. Der Dreckskerl machte noch kurz Anstalten, ihnen hinterherzurennen, gab es aber nach ein paar Schritten auf.
Eins zu null, Verfolger abgeschüttelt.
Stefan konnte es nicht lassen und zeigte ihm den Stinkefinger.
Er hatte sich zu früh gefreut. Der Mann zog etwas aus seiner Lederjacke und lief damit zu einem dunkelgrünen Volvo. Die orangefarbenen Lämpchen an der Seite begannen zu blinken.
Fuck, Autoschlüssel. Stefan stöhnte. Ein Volvo war um einiges schneller als ein Fahrrad.
Und breiter!
»Hier links ab und dann in die Brandgasse«, sagte er zu Streusel.
»Aber das ist überhaupt nicht meine Richtung.«
»Jetzt schon. Los, da ist so ein fieser Kerl hinter uns her.«
Streusel warf einen Blick über die Schulter und wäre fast gegen den Bürgersteig gekracht.
»Idiot!«, schnauzte Stefan. »Schau nach vorne!«
Streusel gehorchte. Sie nahmen die Kurve und rumpelten den Bürgersteig hoch. Da war die Brandgasse schon. Sie führte zwischen zwei Häusern hindurch in eine weitere Brandgasse, die zwischen den Hintergärten der Häuser an der Mozart- und der Bachlaan verlief.
Stefan spähte angespannt zur Straßenecke. Der grüne Volvo konnte jederzeit um die Ecke schießen. »Jetzt beeil dich do-hoch!«, rief er
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