Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Passwort: Henrietta

Passwort: Henrietta

Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
Vom Netzwerk:
ameron kroch näher an die Schlafzimmertür. Sie stand leicht offen, er beugte sich an den Spalt heran und lauschte. Schwerer, regelmäßiger Atem war zu hören, getragen vom langsamen, trunkenen Rhythmus desjenigen, der bereits eine Weile lang schlief.
    Er hatte bis nach Mitternacht warten müssen, bis in der Erdgeschosswohnung die Lichter angingen. Dann eine weitere Stunde, bis die Fenster wieder in Dunkelheit getaucht waren und sich nichts mehr rührte. Danach hatte er sich in Bewegung gesetzt.
    Cameron entfernte sich von der Schlafzimmertür und schob den Rucksack ein wenig höher auf die Schultern. Vorsichtig, langsam ging er durch den kurzen Flur, tastete sich durch die Dunkelheit, vorbei an den Türen zur Küche und zum Bad, und betrat schließlich das Wohnzimmer.
    Die Dunkelheit war erstickend. Seiner Einschätzung nach musste das Fenster direkt vor ihm liegen, aber nicht ein Strahl der Straßenlaternen drang herein. Cameron schloss die Augen und ließ sich von seinen Sinnen leiten. Zentimeter für Zentimeter tastete er sich mit ausgestreckten Händen voran. Seine Finger streiften gegen etwas Glattes, Kaltes: einen Lederbezug. Er ging weiter.
    Seine Hände stießen gegen ein hohes, leichtes Gestell, das schwankte und beinahe umfiel.
    Er machte einen Schritt nach rechts und tappte weiter. Draußen fuhr ein Wagen vorbei, auf dem nassen Asphalt zischten die Reifen. Camerons Hände stießen gegen einen schweren Stoff, und er schlug die Augen auf. Er hatte das Fenster erreicht. Er zog am Vorhang, bis ein dünner Lichtstrahl die Dunkelheit durchschnitt, drehte sich um und betrachtete den Raum.
    Brennstoff, Sauerstoff, Hitze: das Dreigespann des Feuers. Die Worte summten in seinem Kopf wie ein Mantra, hypnotisierend und verführerisch. Er blinzelte in das Zimmer und suchte nach möglichen Zündstellen. Die Auswahl der richtigen Stelle war entscheidend. Cameron wusste, so wie Hitze nach oben stieg, stieg auch das Feuer nach oben. Aber die Flammen wollten genährt werden. Sie mussten unausgesetzt mit neuem Brennstoff gefüttert werden, wenn sie überleben wollten.
    Er sah hinauf zur hohen viktorianischen Decke. Das Feuer würde sich an ihrer Unterseite schneller als irgendwo anders im Zimmer ausbreiten. Aber dazu musste es erst dorthin gelangen. Er befingerte die Vorhänge, überprüfte deren Länge. Sie reichten von der Decke bis zum Boden. Cameron lächelte. Sie waren die perfekte Leitung.
    Er fasste an die kalte Wand und runzelte die Stirn. Harte Außenwände lieferten meistens keinen guten Brennstoff. Nachdem Farbe und Tapete abgebrannt waren, neigte das Feuer meistens zum Erlöschen, außer es hatte etwas, woran es sich festklammern konnte. Er betrachtete die gegenüberliegende Wand und nickte. Sie war mit breiten Holzpaneelen verkleidet; wunderbares Anfachholz, das noch dazu direkt zur Wohnungstür führte. Das war die Fluchtroute, um die er sich kümmern musste.
    Mittlerweile hatten sich die dunklen Schatten im Zimmer zu erkennbaren Gestalten aufgelöst. Das hohe Ding, gegen das er gestoßen war, war ein mit Handtüchern behängter zusammenklappbarer Wäscheständer. Der Lederbezug gehörte zu einem Sofa und zwei Sesseln in schlanker, moderner Linienführung. Gute Neuigkeiten. Das Pferdehaar, mit dem altes Mobiliar ausgestopft war, ließ sich nur schwer entzünden, die Schaumstoffpolsterung in solchen Dingern aber brannte besser als Reisig.
    Cameron fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    Brennstoff, Sauerstoff, Hitze.
    Er trat an den Wäscheständer und hob ihn ans Fenster. Dann packte er sich den nächsten Sessel und zerrte daran. Kreischend fuhren die Laufrollen über den Teppich. Cameron erstarrte.
    Er hielt den Atem an und lauschte auf Geräusche aus dem Schlafzimmer. Aus dem Flur drang das Summen des Kühlschranks, irgendwo hinter ihm tickte ein Heizkörper. Er zählte bis dreißig. Nichts. Langsam atmete er aus und wischte sich die Hände am Hosenboden der Jeans ab. Dann bewegte er ganz vorsichtig den Sessel, bis er den Wäscheständer berührte.
    Cameron nahm den Rucksack von den Schultern und ging auf die Knie. Er nahm den Papierkorb heraus, die Zeitung vom Vortag, Zigaretten, das Streichholzbriefchen und das Paraffin. Er zwängte den leeren Papierkorb zwischen Vorhang und Wäscheständer, riss die Zeitung in Streifen und füllte damit den Papierkorb. Er justierte eines der Handtücher so, dass es nur wenige Zentimeter über dem Papier baumelte, warf ein zweites Handtuch über den Sessel und stopfte

Weitere Kostenlose Bücher