Passwort: Henrietta
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Er sah zum Feuer, solange er sich traute. Die Fenster barsten, schwarzer Rauch quoll in den Nachthimmel. Die lodernden Flammen zischten und knackten und spien Funkenschauer. Er spürte die Hitze im Gesicht, den süßen, rauchigen Geruch von verkohltem Holz. Dann hörte er ein anschwellendes Dröhnen, als donnerten mehrere Flugzeuge über ihn hinweg: ein Teil der Decke war eingestürzt. Flammen barsten durch die Fenster, schlugen zehn, fünfzehn Meter hoch in den Himmel, wo ihre Zungen über ihn aufragten.
Er versuchte sich die sengende Hitze in der Wohnung vorzustellen; das Ringen nach Luft, den Husten, die giftigen Dämpfe. Und die lähmende Angst, bei lebendigem Leib verbrannt zu werden. Cameron schloss die Augen und lächelte.
Niemand würde dieses Inferno überleben.
[home]
28
F elix Roche ist tot.«
Harry schoss im Bett hoch und schwang die nackten Beine zu Boden. »Was?«
»Er ist letzte Nacht in seiner Wohnung verbrannt.« Jude sprach leise ins Telefon, als wolle er nicht, dass es sonst jemand hörte. »Die Polizei war hier. Ich hab Ihren Namen bislang rausgehalten, aber es war nicht einfach. Dieser verdammte Detective, er ist wie eine Katze, beobachtet nur und wartet darauf, dass man selber redet.«
Detective Lynne. Ihr wurde übel. Sie musste schlucken. »Ein Unfall?«
»Bislang hat keiner was anderes gesagt. Aber sie haben viele Fragen gestellt.«
Scheiße, Scheiße, Scheiße. Harry schloss die Augen und schlang die Arme um sich. Wie konnte Felix nur tot sein? Sie hatten doch erst vor ein paar Stunden mit ihm gesprochen.
»Harry? Sind Sie noch da?«
»Mh-hmm.«
Mit eingezogenen Schultern wippte sie vor und zurück, als leide sie unter Krämpfen. Gestern hatte Felix dem Propheten mitgeteilt, er wisse, wer er sei. Heute war er tot.
Sie versuchte, sich Felix vorzustellen: übergewichtig, schnaufend, ein Ekelpaket. Sie hatte ihn nicht sehr gemocht, trotzdem hatte sie ihm nicht den Tod gewünscht. Und sie hätte unbedingt mit ihm reden müssen.
Plötzlich hielt sie abrupt inne. »Ich hab ihn letzte Nacht angerufen.«
Eine Pause am anderen Ende der Leitung. »Sie haben was?«
»Es war spät, fast zwei Uhr morgens. Ich konnte nicht schlafen.« Sie hatte in der Dunkelheit auf der Bettkante gesessen, auf das Klingeln im Hörer gelauscht und gehofft, dass Felix abnahm.
»Und?«, fragte Jude.
»Nichts. Er ist nicht rangegangen.« Ihre Beine zitterten, ihr T-Shirt fühlte sich kalt und klamm an. Das flaue Gefühl in ihrem Magen wurde stärker. »Meinen Sie, er war da schon tot?«
»Wer weiß? Wenigstens haben Sie nicht mit ihm geredet.«
»Ich wünschte, ich hätte es. Er wusste, wer der Prophet ist.«
»Mir scheint, je mehr man über diesen Propheten weiß, umso gefährlicher ist es.« Sein Tonfall wurde harscher. »An Ihrer Stelle würde ich mich von ihm fernhalten.«
Harry runzelte die Stirn. War er um ihre Sicherheit besorgt, oder hatte er soeben eine Drohung ausgesprochen? Sie schüttelte den Kopf und atmete tief durch die Nase ein. Jude hatte ihr letzte Nacht geholfen. Er war ein großes Risiko eingegangen, hatte Felix Insiderinformationen zukommen lassen und sich damit ihm ausgeliefert. Sie starrte auf ihre Zehen.
Es sei denn, er hatte bereits zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass Felix in ein paar Stunden tot sein würde.
»Werden Sie mit der Polizei reden?«, fragte Jude mit hölzerner, schwer einzuschätzender Stimme.
»Über meinen Vater? Nein. Nein, das kann ich nicht.« Das Reden fiel ihr plötzlich schwer. Ihr Mund war so trocken, dass ihre Worte nur abgehackt herauszukommen schienen.
»Ist es nicht ein bisschen zu spät, um sich noch Sorgen zu machen? Um ihn? Außerdem kann es Ihnen doch egal sein. Sie hassen ihn doch, dachte ich.«
»Ich hasse ihn nicht.« Stimmte das wirklich? »Er ist immer noch mein Vater.«
»Auch wenn er an einem Mord beteiligt war?«
Harry schwankte, kurz war ihr, als würde sie ohnmächtig werden. Sie ließ den Hörer fallen und schaffte es gerade noch ins Badezimmer. Sie übergab sich ins Waschbecken, bis ihr Rachen wund war, und zitterte am ganzen Körper, während sie sich am kalten Emaillebecken festhielt. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, taumelte zurück ins Bett und zog die Decke über sich. Erst dann griff sie wieder zum Hörer. Jude hatte bereits aufgelegt.
Was jetzt? Sie hatte keine Spuren mehr, denen sie folgen konnte. Der einzige Mensch, der die Identität des Propheten gekannt hatte, war tot. Und sie hatte
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