Passwort in dein Leben
Teil.
Sofie: Aber das ist doch nicht der richtige Weg, um Konflikte auszutragen, oder?
Mario: Ich dachte, du freust dich, wenn wenigstens jemand zu dir hält.
»Irgendwie tut er mir fast leid«, sage ich zu Clara.
»So bescheuert bist du doch nicht in echt?« Sie macht eine eindeutige Geste mit der Hand.
»Wieso?«
»Wieso? Da will dich jemand voll verarschen. Wer auch immer das sein mag!«
Ich ignoriere sie.
Sofie: Könntest du bitte damit aufhören?
schreibe ich.
Mario: Okay.
Bevor ich antworten kann, loggt er sich schon wieder aus.
»Ich glaub das ja noch nicht«, meint Clara.
Obwohl Clara dagegen ist, tippe ich auf meine eigene Pinnwand.
Sofie: Ich hab doch nichts damit zu tun.
Romis Antwort kommt sofort. Hahaha.
Ich liege im Bett und kann nicht schlafen. Meine Füße werden abwechselnd heiß und dann wieder kalt. Gegen zwei Uhr nachts gebe ich auf. Und klappe mein Laptop auf.
Julia hat was Neues gepostet. Direkt auf meine Pinnwand. Und die anderen kommentieren sofort.
Julia: Und? Kommst du dir gut vor nach deiner kindischen Racheaktion?
Romi:
@Julia Glaubst du mir jetzt
endlich, dass sie eine kindische Schlampe ist?
Und irgendwie tut mir Annabelles Kommentar am meisten weh:
In der Eifersucht zeigen Leute manchmal ihr wahres Gesicht.
Vielleicht weil ich bisher geglaubt habe, dass sie anders ist, dass sie nicht sofort alles auf mich schiebt. Ich kann nicht anders, tippe etwas darunter. Sofie: Ich habe nichts damit zu tun! Ich finde das auch sehr fies.
Danach starre ich eine Ewigkeit auf mein Profil. Ich weiß nicht, was ich tun könnte. Entweder zugeben, dass ich ein totaler Loser bin und Mario nur erfunden habe, damit ich nicht bedauert werde? Aber wieerkläre ich dann, dass ich die fiesen Sachen nicht gepostet habe? Das glaubt mir doch kein Mensch.
Eines weiß ich ganz sicher: Ich kann morgen auf keinen Fall in die Schule.
»Bist du etwa immer noch im Schlafanzug?« Meine Mutter hebt die Augenbrauen, während mein Vater nicht von seiner Zeitung aufschaut.
»Ich gehe heute nicht«, sage ich und stelle meine Tasse unter die Kaffeemaschine.
»Aber …«, fängt sie an. Der Rest ihres Satzes geht im Lärm der Maschine unter.
Sie sehen mich beide an, als wäre ich eine Schauspielerin auf der Bühne, als ich mit meiner Tasse zum Tisch gehe.
Meine Mutter öffnet den Mund: »Aber …«
Mein Vater versucht sie zu stoppen, legt ihr die Hand auf den Arm.
»Warum?«, fragt sie.
»Heute kann ich wirklich nicht. Ich brauche einen freien Tag.«
Jetzt kann sie sich nicht mehr zurückhalten. »Und wie stellst du dir das vor? Ich schreib dir eine Entschuldigung, auf der steht: Sofie braucht heute frei? Und so sag ich das auch den Kollegen?«
Eine Lehrerin zur Mutter zu haben, hat definitiv Nachteile. Aber wenn die auch noch an der Nachbarschule unterrichtet, ist echt alles zu spät.
»Aber ist doch eh nur für heute, morgen ist sowieso Feiertag. Und in eineinhalb Jahren kann ich das selbst machen …«, sage ich so cool wie möglich. Aber meine Stimme zittert dabei.
»Gut, aber jetzt bin ich noch für dich verantwortlich!«, schnappt meine Mutter.
»Du hast doch selbst in diesem Buch gelesen, dass man Teenagern vertrauen soll!« Ich kann sie nicht ansehen.
»Sag du doch auch mal was!«, fährt meine Mutter meinen Vater an.
Er schluckt. Ich sehe seinen Adamsapfel auf- und ab wippen.
»Zwei freie Tage pro Jahr«, sagt er schließlich und sieht sie dabei nicht an. »Nicht mehr. Und ich denke, ich schreibe besser ›starke Bauchschmerzen‹.«
»Danke«, zwitschere ich und küsse ihn auf seine stoppelige Wange.
Meine Mutter sieht mit offenem Mund zu.
Bevor sie die Sprache wiederfindet, verschwinde ich lieber.
Der Vormittag zieht sich endlos. Ich versuche, alte DVDs anzuschauen. Und später Folgen von »Türkisch für Anfänger« auf YouTube. Alles langweilt mich. Bis etwas Neues auf meiner Pinnwand erscheint, unter dem Dialog von gestern. »Mario« hat ein Foto gepostet: Julia in Unterwäsche.
Ich kann mich an den Abend erinnern, als wir es aufgenommen haben, hier mit meinem Laptop. Julia hat bei mir übernachtet und eine Flasche Erdbeersekt mitgebracht. »Auf einen tollen Mädelsabend«, meinte sie. Später haben wir in Unterwäsche getanzt und einen Film und ein paar Fotos gemacht. Einfach so, aus Spaß. Keine Ahnung, wie Mario, wer immer er oder sie ist, an dieses Bild gekommen ist. Es existiert nur auf meinem Computer und auf Julias Handy. Dachte ich zumindest.
Unter dem Bild
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