Passwort in dein Leben
ich auf seine Pinnwand gepostet habe.
»Mensch, die werden sich jetzt totlachen über dich. Oder denken, du bist total verrückt geworden und glaubst daran, dass deine Fantasie Wirklichkeit geworden ist«, sagt sie.
Mir ist plötzlich kalt. Ich muss an ein Buch denken, das ich vor einem Jahr gelesen habe. Dort war es wirklich so. Ein Mann hat sich für ein Mädchen Abenteuergeschichten ausgedacht und sie wurdenWirklichkeit. Er musste dann gegen Drachen kämpfen und so weiter.
»Schau mal!« Claras Stimme klingt ganz komisch. Sie drängt mich ein wenig zur Seite und klickt auf Marios Friends-Liste. Es sind viel mehr geworden. Plötzlich ist er mit allen aus der Clique befreundet.
Mein Bauch gluckert laut.
Ich schlucke.
»Wahrscheinlich ist es doch einer von ihnen«, meint Clara. »Schauen wir mal bei Romi nach. Am Ende spannt sie dir auch noch den Fantasiefreund per Facebook aus. Oder gar Julia.« Clara lacht. Aber ihr Lachen klingt nicht echt.
Ich merke, dass meine Hände ganz feucht geworden sind, und bin froh, dass sie das Klicken übernimmt.
Romi hat tatsächlich eine Nachricht von Mario.
Die Schlange hat ihr Gift, auch wenn sie unter den schönsten Blumen liegt. (Dänisches Sprichwort)
»Na, doof ist er nicht«, sagt Clara und ihre Stimme klingt anerkennend.
Ich muss noch mal schlucken, habe das Gefühl, ein Elefant steckt in meinem Hals fest.
»Also können wir sicher sein, dass Romi es nicht war.«
»Warum?«, höre ich mich fragen.
Sie klopft mir auf die Stirn. »Erstens würde sie so was nie über sich schreiben. Ich bin sicher, sie weiß nicht mal, dass sie überhaupt eine Schlange ist. Außerdem kapiert sie den Spruch garantiert nicht.«
Ich nicke. Vermutlich hat sie recht.
»Und was ist mit Julia?«, frage ich. »Oder David?«
Da David zuletzt bei Romi gepostet hat, bzw. zugesagt hat, zu ihrer Party am Wochenende zu kommen, gehen wir zuerst auf seine Seite.
Dort prangt ein Foto von Julia. Julia, die mit dem Schlagzeuger ihrer Band knutscht.
»Scheiße«, sage ich.
Clara grinst. »Möchte mal wissen, wie unser Mario da drangekommen ist. Allerdings finde ich das ziemlich geschmacklos.«
Ich nicke. »Besonders originell ist das auch nicht. Das mit der Schlange war besser. Na ja, verdient hat er's.«
»Aber«, meint sie, »muss man so was öffentlich machen? Ich meine, das Karma …«
»… leidet«, sagen wir gleichzeitig.
Einer von Tatjanas Lieblingssprüchen. Meine Mutter hat sich sehr amüsiert, dass ein russisches Hausmädchen sich für Buddhismus interessiert. Ich finde das kein bisschen komisch. Tatjana liest nämlich sehr viel philosophisches Zeug. Aber das passt eben nicht in ein einfaches Weltbild, meint Clara. Das finde ich zwar meiner Mutter gegenüber gemein,aber ich weiß auch nicht, wie ich sie verteidigen könnte.
Clara klickt Julia an.
Auch hier hat Mario seine Spuren hinterlassen. Ein Link zu einem YouTube-Video.
Ohne irgendwas zu sagen, klickt Clara drauf.
Das Video ist ziemlich dunkel und wackelig. Lärm im Hintergrund. Langsam wird eine Gestalt mit strähnigem Haar sichtbar. Die Kamera zoomt näher ran. Ein Mädchen, das in irgendeinem Club auf dem Boden sitzt. Scheint total dicht zu sein. Sie hebt den Kopf. Ich erkenne Julia, mit völlig glasigen Augen. Ein Mann mit schwarzer Lederjacke geht auf sie zu, packt sie am Arm. Julia will sich von ihm hochziehen lassen. Dabei verrutscht der Träger ihres Tops. Oder, um genau zu sein, eine ihrer Brüste fällt heraus, ist klar und deutlich zu sehen. Julia versucht, das Top wieder hochzuziehen, es klappt nicht. Sie würgt und kotzt dem Typen dann direkt auf die Schuhe. Hier bricht der Film ab.
Ich merke, dass mir schlecht geworden ist, und höre Clara neben mir schlucken. »Was soll das denn?«, fragt sie.
Ich kann nicht antworten.
Auch weil ich keine Antwort weiß.
Mein Handy piepst. Ihres summt gleichzeitig.
Automatisch greifen wir beide danach.
Und haben die gleiche Message. Einen Link zu einem YouTube-Video. Noch bevor ich es überprüft habe, weiß ich, dass es sich um das Video handelt, das wir bereits angeschaut haben.
»Scheiße«, murmle ich.
Clara schüttelt nur den Kopf. »Und die Nummer ist unterdrückt, oder?«
Ich schaue nach. Natürlich hat sie recht.
»Und jetzt?«, fragt Clara.
Ich habe keine Ahnung. Ich fühle mich total seltsam. Eine ganz komische Mischung.
Ein wenig so wie damals, als wir das brennende Haus beobachtet haben. Ich denke, Clara und ich waren ungefähr acht Jahre alt. Ich
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