Passwort in dein Leben
verändern sich wieder, werden unendlich traurig. Und zum ersten Mal habe ich das Gefühl, den echten Ralf zu sehen. »Eigentlich haben sie dort nicht viel gemacht. Nur Gespräche, und die meisten Psychoheinis waren echt dumm, komplexe Geschichten haben die einfach nicht kapiert«, erzählt er. »Aber die Auszeit hat mir gutgetan, ich habe sehr viel gelesen …«
Ich nicke.
»Diese Mobbinggeschichte im Internet, also, was man dir gerade antut, ist echt furchtbar!«, sagt er und steht plötzlich wieder näher bei mir.
Mobbing? Er glaubt mir also, ausgerechnet er? Ich kann es nicht fassen.
»Ist doch logisch, dass du damit nichts zu tun hast.«
Ich meine, nicht richtig zu hören.
»Ich kann dir helfen, Sofie.«
Vielleicht ist es ein wenig wie bei einem Strohhalm. Wenn man nur verzweifelt genug ist, greift man sogar nach dem einen unsicheren Halm, obwohl man ihm nicht wirklich traut.
Vermutlich frage ich deshalb: »Und wie?«
»Ich kenne mich mit Computern aus«, sagt er ruhig.
Das stimmt. Er macht ja quasi nichts anderes.
Ich ziehe meine Unterlippe ein, die mir plötzlich trocken und rissig vorkommt.
Er fährt sich kurz über die Haare. »Komm einfach mit zu mir«, sagt er. »Dann löschen wir alles endgültig und verfolgen alle Spuren. So können wir beweisen, wer dahintersteckt.«
Ich schlucke noch einmal, feuchte dann mit der Zunge meine trockene Lippe an.
»Und Marco?«, frage ich.
»So nennt er sich also.« Triumphierender Blick.
»Was soll der damit zu tun haben?«
»Hast du dich nie gefragt, warum er so oft in deiner Nähe auftaucht?« Ralf sieht ganz ernst aus. »Natürlich macht er das nicht allein. Er findet immer Verbündete. Meistens irgendein Mädchen … und diese, wie heißt sie noch mal gleich, Romi? Die hasst dich seit Langem …«
Kann das wirklich sein? Marco und Romi? Ausgerechnet?
Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen …
»Vermutlich fand er es lustig, dass dein Fantasiefreund auch Mario heißt, wie er selbst.« Ralfs Lachen klingt seltsam, vielleicht ein wenig eingerostet. Abrupt bricht es wieder ab.
»Aber«, sage ich, »er heißt doch Marco?«
»Ich hab dir doch schon gesagt, dass er immer wieder andere Namen annimmt!«, sagt Ralf ungeduldig.
»Außerdem«, werfe ich ein, »woher weiß er das? Oder woher wisst ihr beide, dass ich Mario nur erfunden habe?«
»Ach!« Er macht eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. »Das ist ja wohl so was von auffällig. Seine Sprache war deine und auch sonst war er dir viel zu ähnlich.«
Irgendwie kommt es mir komisch vor, dass jemandem, der mich so wenig kennt wie Ralf, oder gar nicht, wie Marco/Mario, das aufgefallen sein soll.
»Hast du gestern einen Zettel gefunden?«, fragt Ralf da und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich zucke zusammen.
»Mario kommt überall rein, ein gekipptes Fenster reicht ihm«, erklärt Ralf. »Ich habe ihn vorher damit erwischt!«
Aus der Hosentasche zieht er einen hellblauen Bogen Papier. Das gleiche Papier. Er faltet es auf. Die gleiche Schrift.
LIEBSTE, DU KANNST NICHT MIT MIR SCHLUSS MACHEN. WIR GEHÖREN ZUSAMMEN. »MAN IST ZEITLEBENS FÜR DAS VERANTWORTLICH, WAS MAN SICH VERTRAUT GEMACHT HAT«, SAGT DER KLEINE PRINZ. FÜR IMMER, DEIN MARIO
Ich starre auf die Buchstaben, die vor meinen Augen zu hüpfen beginnen.
»Aber warum willst du mir helfen?«, bringe ich schließlich heraus.
»Du bist schließlich die beste Freundin meiner Schwester«, sagt er. »Und wir kennen uns schon ewig.«
Kennen ist zwar nicht richtig, denke ich, und Clara ist nicht mehr wirklich meine Freundin. Aber irgendwie ist er der Einzige, der mir helfen will. Der Einzige, der mich noch aus diesem Schlamassel rausholen kann …
Komisch. Dass Marco, oder Mario, wirklich so sein kann. Ich verstehe das alles nicht. Aber scheinbar vertraue ich immer den Falschen. Erst David, dann Marco-Mario …
»Kommst du nun?«, fragt er, leise, sanft.
Ich setze mich auf die Stange seines Fahrrads und klammere mich an den Lenker. So etwas habe ich noch nie gemacht, fühlt sich total wackelig an. Als er losfährt, berührt er mich mit der Brust. Ein komisches Gefühl breitet sich in meinem Magen aus, ichhabe das Bedürfnis wegzulaufen, ganz schnell verschwinden zu wollen. Aber vielleicht sollte ich aufhören, meinem Gefühl zu vertrauen, dabei kommt sowieso nur Schlimmes heraus …
Ralf sagt überhaupt nichts. Ab und zu kann ich ihn riechen.
Kräuter und dann noch etwas anderes.
Die Sonne ist herausgekommen, bringt die
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