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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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mich richtig erinnere, vor ein paar Jahren mal bei Ikea zu kaufen gab. Es gibt drei Stühle. Einen Korbsessel, einen ganz gemütlichen mit Armlehnen und Rosenkissen drauf, und einen Holzstuhl. Ich sehe die Dame Hilfe suchend an, aber sie macht nur eine einladende Bewegung auf alle Stühle hin und fragt: »Hast du Durst?«
    Ich nicke. Vermutlich ist das mit den Stühlen gleich der erste Psychotest. Wo man sich hinsetzt, erklärt, was man für einen Charakter hat oder so.
    Am liebsten würde ich das Rosenkissen wählen, aber dann komme ich sicher als Prinzessin rüber.Der Holzstuhl scheint total unbequem. Also der Korbsessel. Die Mitte ist vermutlich am besten.
    Sie stellt zwei Glas Wasser auf den viereckigen Holzcouchtisch zwischen den Stühlen. Dazu legt sie ein Klemmbrett, mit einem frischen Bogen Papier und einem orangefarbenen Kugelschreiber.
    »Danke«, sage ich und nehme einen Schluck Wasser. Einfach nur, um irgendwas zu tun.
    Dann setzt sie sich auf den Rosenkissen-Thron und sieht mich an, ohne ein Wort zu sprechen.
    Vielleicht ging es gar nicht um die Art des Stuhls, sondern um die Position? Meiner steht am nächsten bei der Tür. Vermutlich deutet sie das jetzt als Fluchtreflex oder so. Ich sehe, dass ich sowohl Arme als auch Beine überkreuzt habe. Eine Abwehrhaltung, hat uns der Englischlehrer einmal erklärt, der gleichzeitig die Theater-AG leitet. Ich stelle die Beine nebeneinander und lasse die Arme locker im Schoß liegen. Damit sie nicht denkt, ich wäre ein Kontrollfreak. Ich merke, wie ich zu schwitzen anfange. Unter meinen Armen bilden sich bereits nasse Flecken.
    »Also«, sagt sie schließlich, räuspert sich und schiebt mit einem Finger die Brille ein Stück an der Nase hoch. »Warum bist du hier?«
    »Das wissen Sie doch bestimmt …«
    »Ich würde es gerne von dir hören.«
    Ich strenge mich an, damit ich die Augen nicht verdrehe. Und da habe ich plötzlich eine Idee. Icherzähle die ganze Sache einfach nur aus meiner Perspektive. »Also«, fange ich an, »ich werde gemobbt. Irgendwer hat meinen Facebook-Account geknackt und dort fiese Filmchen über alle anderen verbreitet. Jetzt sind alle sauer auf mich, weil sie glauben, ich war das, und ich kann nicht mehr in die Schule, weil zumindest einer von ihnen, Christof, gedroht hat, mich fertigzumachen.«
    Sie nickt, nimmt dann ihr Klemmbrett und kritzelt irgendwas drauf.
    Ich versuche, unauffällig ein Stück weiter vorzurutschen, um lesen zu können, was sie schreibt. Aber ihre Schrift ist unleserlich. Ganz besonders, weil sie ja auf dem Kopf steht.
    »Und warum wirst du deiner Meinung nach gemobbt?«, fragt sie.
    Ich zucke die Schultern.
    »Du hast also keine Ahnung?«
    Ich denke, das habe ich wohl deutlich genug gemacht. »Nein«, sage ich.
    »Gab es davor irgendein einschneidendes Erlebnis in deinem Leben?«, fragt sie weiter.
    »Nö.«
    Sie sieht mich weiter fragend an.
    Ich schaue auf das Flechtmuster meines Stuhles. An einer Stelle steht ein Stück senkrecht nach oben. Ich fahre mit dem Finger drüber. Es ist ziemlich spitz.
    »Du weißt, dass deine Eltern sich Sorgen um dich machen?«, sagt sie schließlich.
    Ich fühle nach, ob alle Kanten gleich scharf sind, und merke, dass ich die Füße um die Beine des Stuhles geschlungen habe. Das wird bestimmt negativ ausgelegt.
    Möglichst unauffällig versuche ich, sie wieder normal hinzustellen. Aber sie hat das sicher bemerkt, schreibt schon wieder.
    »Ich habe ihnen gesagt, dass ich schon rausfinde, wer das war. Ich habe ein paar Freunde, die mir helfen.« Clara, denke ich. Wenn ich nur einen Weg finden würde, dass wir wieder Freunde sind. Marco. Vielleicht kann er mir ja helfen? Vielleicht bekomme ich ja einen klaren Kopf, wenn ich mit ihm rede. Gestern auf der Insel, das war er doch bestimmt gar nicht. Oder er hat mich nicht richtig gesehen. Vielleicht braucht er ja eine Brille … Und bei uns im Garten. Das hab ich mir sicher nur eingebildet! So ganz überzeugt bin ich zwar nicht, aber irgendwie fühlt sich das gut an, sicher. Nicht wie dieses Zimmer hier, mit der Frau mit den Spiegelaugen.
    »Hmhm.«
    »Das wird schon«, behaupte ich und versuche ein Lächeln, das aber vermutlich eher einer Grimasse ähnelt. Sie sagt nichts.
    Die Zeit scheint endlos.
    Komm, versuche ich sie in Gedanken zu beschwören, schreib schon auf, dass ich ganz normal bin. Überlege dir vielleicht, wie du mir helfen kannst. Du musst doch etwas wissen über Mobbingopfer.
    Ich zucke zusammen, als sie plötzlich doch

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