Pasta Mortale
Antwort auf die rein rhetorisch
gedachte Frage hatte er auch nicht gerechnet.
»Bis auf die Tatsache, dass man letzte Nacht versucht hat,
mein Lokal abzufackeln, geht es gut«, entgegnete Sprossen trocken. Dann
erzählte er Mario, was geschehen war.
Der wiederum hatte ja auch etwas erlebt. Daher berichtete er
dem Gastronomen, wobei er gestern Mittag Zeuge geworden war und was ihm selbst
fast passiert wäre. Er erzählte dem Freund auch von dem Fluch, der über dem
neuen Gourmetführer zu lasten schien. »Es sieht fast so aus, als ob es derzeit
irgendwo jemanden gäbe, der der gehobenen Wiener Gastronomie das Leben schwer
machen möchte«, erklärte Mario abschließend, wollte das aber eher im
metaphysischen Sinne verstanden wissen.
Der Praktiker Ivo griff den Gedanken jedoch sofort auf. »Man
müsste direkt untersuchen, ob in den Biografien der betroffenen Personen und
Betriebe die gleichen Namen mehrmals erscheinen. Mitarbeiter, die in Unfrieden
gegangen sind, oder Lieferanten, mit denen es Ärger gegeben hat. Vielleicht
will sich ja irgendjemand für etwas revanchieren, wofür er die Branche
verantwortlich macht. Ein ›Gastronomiegeschädigter‹ sozusagen.«
»Der Gedanke hat prinzipiell etwas für sich«, räumte Palinski
ein, »soweit es mich betrifft, allerdings nicht. Ich habe in meinem ganzen
Leben noch nie jemanden so geärgert, dass er mich vergiften wollte.« Hoffentlich,
fügte er in Gedanken noch dazu.
»Wahrscheinlich hast du recht«, konzedierte Sprossen. »Obwohl
man das ja nie so genau wissen kann. Ich muss dann weiter. Komm doch in den
nächsten Tagen mit Wilma zum Essen vorbei«, lud er ihn zum Abschied ein. »Falls
du die nächsten Anschläge deines Killers überlebst.« Dann lachte der Kerl auch
noch laut auf und klopfte Palinski auf die Schulter.
Sehr witzig, sehr witzig. Ein Gemüt wie ein
Fleischerhund.
*
Valeria Modrianow stand noch immer unter dem
Schock, den die plötzliche Exekution der Schubhaft, die abrupte Trennung von
ihrer kleinen Natascha bei ihr ausgelöst hatte. Das Gefühl der Unsicherheit,
das sie noch immer gefangen hielt, war so besonders ungut, weil sie sich immer
auf Daniels Beruhigungen verlassen hatte. »Du brauchst dir überhaupt keinen
Kopf machen, Kleines«, hatte er immer wieder fast gebetsmühlenartig wiederholt.
»Ich kenne die zuständigen Leute, und die haben mir versichert, dass deine
Aufenthaltsgenehmigung nur mehr eine Frage der Zeit ist.«
Gut, inzwischen war zwar das Gesetz verschärft worden, aber
sie hatte nicht gedacht, dass das Auswirkungen auf ihren Fall haben könnte.
Auch die Arenbachs hatten diese Möglichkeit nie ernsthaft in Erwägung gezogen.
Und dann kam dieser Dienstag, an dem plötzlich zwei Männer vor der Tür ihrer
kleinen Wohnung in Glanzing gestanden waren und sie aufgefordert hatten,
mitzukommen. Sie waren in Zivil, sehr höflich und zuvorkommend gewesen.
Offenbar hatte ihr die schützende Hand Daniels sogar bei der Verhaftung eine privilegierte
Behandlung gesichert. Denn dem üblichen Prozedere bei solchen Anlässen hatte
die Vorgangsweise absolut nicht entsprochen. Begonnen mit dem Telefongespräch
mit Daniel, das man ihr noch ausnahmsweise gestattet hatte, bis hin zu ihrer
derzeitigen Bleibe. Das Gefängnis, in das man sie gebracht hatte, war ein
durchaus komfortables Appartement und entsprach damit viel eher einer Art
Hausarrest. Last, but not least hatte ihr ihre Aufseherin, eine schweigsame
Frau Mitte 50 von der Art gut geschulter Haushälterin, auch noch alle Wünsche
erfüllt, zumindest bisher. Lediglich auf die Frage, wo sie sich hier befänden,
hatte Frau Maria, so hatte sie sich vorgestellt, jedwede Antwort verweigert.
Der ranghöhere der beiden
Polizeibeamten hatte ihr heute Morgen mitgeteilt, dass sie bereits am
darauffolgenden Tag nach Bukarest ausgeflogen werden sollte. »Dort können Sie
an der Botschaft einen neuen Antrag stellen und dann praktisch sofort wieder
nach Wien zurückkehren.«
Das klang ja alles halb so schlimm, denn dann konnte sie
möglicherweise bereits am Freitag wieder zurück sein. Mit etwas Glück sogar
noch rechtzeitig genug, um an der Generalprobe für die Fledermaus teilzunehmen.
Sie hatte sich schon sehr auf diese Rolle gefreut.
Hoffentlich würde Natascha diesen schrecklichen Vorfall gut
verarbeiten. Gott sei Dank war sie ja bei den Arenbachs in besten Händen. Und
am Telefon heute Morgen hatte sie ganz normal geklungen. Aber
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