Pasta Mortale
Omnipotenz
des Staates und seiner Organe. Jetzt fehlte gerade noch, dass Ondrasek wissen
wollte, wo man sich in solchen Fällen beschweren konnte. Er tat es aber nicht,
denn diese durchaus sympathische Naivität erinnerte ihn an bessere Tage. An
frühere, gar nicht so lange zurückliegende Zeiten, als er selbst noch fest
davon überzeugt gewesen war, dass das Gute immer siegte, wenn man nur fest
genug davon überzeugt war.
»Tja, das ist
die Frage«, ging Palinski jetzt auf Ondraseks Einwand ein. »Ich glaube ehrlich
gesagt nicht, dass die Polizei tatsächlich etwas damit zu tun hat. In diesem
Falle wäre man wahrscheinlich doch weniger ungeschickt, etwas besser
organisiert vorgegangen. Aber man weiß ja nie. Es ist auch nicht
auszuschließen, dass ein, zwei Polizeiangehörige eigene Interessen verfolgen.
Am ehesten neige ich aber zur Annahme, dass da irgendeine alte Rechnung
beglichen wird. Wie man hört, war Valeria ja zumindest am Rande in diese
Korruptionsaffäre involviert, unschuldig zwar, soviel ich weiß, aber immerhin
doch. Diese Geschichte, die ihrem Mann das Leben gekostet hat. Falls sie etwas
weiß oder die anderen auch nur meinen, sie könnte etwas wissen, dann befindet
sie sich möglicherweise echt in Gefahr. Vielleicht geht es aber auch um
Lösegeld, es gibt viele Möglichkeiten. Daher ist auch das LKA in die Angelegenheit eingeschaltet worden.«
Als hätte er nur auf dieses Stichwort gewartet, betrat
Oberinspektor Helmut Wallner eben mit seinem neuen Assistenten Jakob Anderle
den Festsaal. Anderle, ein gebürtiger Osttiroler, der in Wien aufgewachsen war,
war mehr als zwei Meter groß und bot damit einen sehr beeindruckenden Anblick.
Der Oberinspektor, mit 1,85 Metern Körpergröße und an die 90 Kilogramm auch
kein ganz Zierlicher, wirkte neben ihm wie das Zniachtl vom Dienst.
Auf der Bühne bewies Eva Ondrasek gerade mit
einem tadellosen ›Mein Herr Marquis, ein Mann wie Sie‹, dass sie eine
vielversprechende Adele und ihre Besetzung völlig berechtigt war. Tochter des
Chefs hin oder her. Das fand auch Jakob Anderle, der vor der Bühne stehen
geblieben war und wie gebannt auf die schöne junge Frau starrte.
Der schien diese offensichtliche Aufmerksamkeit durchaus zu
gefallen, denn beim folgenden ›ja sehr komisch, hahaha, ist die Sache, hahaha‹,
lächelte sie den jungen Hünen vielsagend an. Da schoss Anderle das Blut in den
Kopf, und wie, und er wurde hochrot im Gesicht. Obwohl er ja glücklich
verheiratet war. Gott, wie ihm das jedes Mal peinlich war. Aber alle im Raum
über 40 Jahre fanden das richtig lieb und dass die beiden ein schönes Paar
abgäben.
Aber sie hatten andere Sorgen, als sich Gedanken darüber zu
machen, wer mit wem vielleicht einmal, fand Palinski und unterbrach die sich
anbahnende Idylle.
»Helmut, hallo«, begrüßte er den alten Freund und Mitstreiter
bei zahlreichen Erhebungen. »Selten zuvor ist ein Mann so exakt zum idealen
Zeitpunkt erschienen wie du jetzt«, ließ er großmundig vernehmen. »Habt ihr
schon irgendeine Spur von Frau Modrianow gefunden?«
Wallner schüttelte nur den Kopf. »Wir haben jetzt mit all
jenen Stellen bei der Fremdenpolizei gesprochen, die bei einer normalen
Schubhaftverhängung Bescheid wissen müssten. Aber nichts, nicht die geringste
Spur. Für alle Fälle lassen wir Frau Modrianow jetzt offiziell suchen. Die
Grenzbehörden auf den Flughäfen sind auch schon verständigt.« Der Inspektor
blickte Ondrasek an. »Und wer sind Sie, wenn Sie mir die Frage gestatten?«
»Oh, wo bleibt bloß meine Erziehung?«, schalt sich Palinski.
»Darf ich vorstellen: Helmut Ondrasek, Theaternarr und Leiter der Company«, er
deutete auf den Prinzipal. »Und das ist Oberinspektor Helmut Wallner vom
Landeskriminalamt Wien.« Die beiden Männer schüttelten sich die Hände.
Ȇbrigens, der Kleingewachsene an meiner Seite ist
Inspektor Jakob Anderle, mein Assistent«, damit hatte jetzt Wallner, wenn auch
liebevoll ironisch, den Mindestanforderungen an Information und gutem Benehmen
ebenfalls Rechnung getragen. »Ein sturer Kerl«, er lachte wohlwollend, um der
verbalen Beurteilung die Spitze zu nehmen. »Was manchmal unangenehm ist,
meistens aber sehr nützlich. Aber jetzt genug gescherzt, die Angelegenheit ist
ernst genug.« Dann ließ er sich von Helmut Ondrasek ganz genau berichten, wie
denn der Besuch heute Morgen bei den Arenbachs so abgelaufen war.
»Vielleicht sollten Sie auch mit dem kleinen
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