Pasta Mortale
plötzlich hohes Fieber bekommen hätte. »Sie haben was
getan? Sie haben auf ein Fischbecken geschossen und es zerstört?«
»Genau«, bestätigte der Patient. »Diesem Felbermeyer gönne
ich das auch, der Sau. Der hat mich hängen lassen wie nur was.«
»Aber Sie können doch nicht …«, der Professor brach den
Satz ab. Er hatte sich wieder im Griff. Jetzt ging es um Schadensbegrenzung.
Falls das je herauskam, konnte er seine berufliche und akademische Laufbahn
vergessen. Die Hypnotherapie war ohnehin nicht ganz unumstritten, und einige
seiner Kollegen warteten nur darauf, dass er ihnen einen Angriffspunkt
lieferte, mit dem sie ihn aus den Angeln heben konnten.
»Also gut«, sagte er jetzt wieder ganz ruhig und
geschäftsmäßig. »Dann erzählen Sie ganz genau, was Sie zum Frustabbau und zur
Steigerung Ihres Selbstwertgefühles bisher so alles unternommen haben.«
Während sich ZweiVier zunehmend in der Darstellung seiner
Aktivitäten sonnte und Bachmayr-Wiesloch von einem Schock in den anderen fiel,
kam dem Professor ein teuflischer Gedanke.
»Kennen Sie eigentlich …?«, er nannte den Namen eines
der renommiertesten Gastronomen der Stadt, wenn nicht sogar des Landes.
»Na klar«, der Patient lächelte verächtlich, »den werde ich
demnächst vielleicht sogar treffen. Hat mir zwar kaum Hoffnungen gemacht, aber
wenigstens gemeint, dass man darüber sprechen kann. Er wollte mich schon vor
Jahren um ein fettes Handgeld von meinem damaligen Dienstgeber abwerben. Hat
dann aber leider nicht geklappt. Warum wollen Sie das wissen?«
»Ach, nur so. Ich habe den Namen unlängst gehört«, spielte
der Psychiater sein Interesse herunter. Tatsächlich war das aber eine
interessante Information, die ihm plötzlich völlig neue Perspektiven eröffnete.
*
Die heutige Probe der Theatercompany fand
erstmals auf der Bühne des Festsaals des Hauses der Begegnung in der
Gatterburggasse statt. Für morgen war eine weitere angesetzt, ebenfalls hier.
Am Freitag würde dann noch die Generalprobe direkt bei der Villa Wertheimstein
und im Park steigen. Und am Samstag war es dann endlich so weit, Grande
Premiere der Döblinger Fledermaus. Hoffentlich würde der Wettergott mitspielen.
Elsa Werburg-Moosbach, deren große Chance durch
die, na, nennen wir es halt bis auf Weiteres noch ›Schubhaft‹ Valerias gekommen
war, war darüber gar nicht glücklich. Die liebe, durchaus nicht unattraktive,
aber unsichere Mittvierzigerin versuchte sich gerade mit dem Auftrittslied des
Prinzen ›Wenn ich mit andern sitz beim Wein‹. Stimmlich gar nicht so übel, aber
es fehlte ihr an Ausdruck und vor allem an der Persönlichkeit Valerias. Der man
den exzentrischen Prinzen und seine leicht skurrilen Spielchen mit den Akteuren
der Geschichte durchaus abnahm, Elsa aber nicht, leider.
Nun, vielleicht würde sich Frau Werburg-Moosbach ja bis
übermorgen zumindest noch so weit entwickeln, dass die alte Bühnenweisheit von
der ›schlechten Generalprobe, der eine gute Premiere folgt‹ eine Chance hatte,
zum Tragen zu kommen.
Gleich darauf musste Palinski noch rasch seinen Ivan
hinlegen. Er hatte mit einem langen Stock, keine Ahnung, was der Fachterminus
für diese Dinger ist, dreimal auf den Boden zu klopfen und dann mit bärbeißiger
Stimme Chevalier Chagran anzukündigen. Indem er statt ›Chagran‹ ›Kagran‹ sagte,
schaffte er das fast Unmögliche, nämlich, dass die Szene wiederholt werden
musste.
Dafür war es immer wieder ein Fest sowohl für die Augen als
auch für die Ohren, Miyu Kracherl, ja, die mit einem Wiener Spitzengastronomen
verheiratete Sopranistin aus Osaka hieß tatsächlich so, als Rosalinde zu …
empfinden. Ja, das war der richtige Ausdruck für die Gefühle, die Mario bei
Miyus Auftritten erfüllten.
Endlich hatte Helmut Ondrasek Zeit, sich mit Palinski in eine
ruhige Ecke zurückzuziehen, um die aktuellen Erkenntnisse im Fall Valerias
auszutauschen. Die darauffolgende Verwirrung war möglicherweise noch größer als
die, die vorher bereits vorhanden gewesen war.
»Aber … wo kann Valeria denn sein, wenn sie nicht bei
der Fremdenpolizei festgehalten wird?«, stammelte der sonst so wortgewaltige
Prinzipal der Truppe. »Ich meine, Österreich ist doch ein Rechtsstaat. Da kann
ein Mensch nicht einfach so verloren gehen.«
Palinski hätte fast laut herausgelacht ob der an Naivität
grenzenden Gläubigkeit seines Gegenübers an die immer wohlmeinende
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