Pasta Mortale
Natascha, fand Palinski, vermutete aber, dass es sich dabei nur um einen
Einschüchterungsversuch handelte. Einen wirksamen, denn schon drei Minuten
später erschien die ›gnädige Frau‹ und stand den Herren zur Verfügung. Ja, es
gab sogar Tee oder Kaffee und dazu »hausgemachten Topfenstrudel«, wie Beatrix
Arenbach stolz verkündete. »Den mag Natascha so gerne.«
Dann war es auch schon vorüber gewesen mit einem
ruhigen Abend für die Hausfrau. Denn die ohne jegliche Vorwarnung aus der Hüfte
Wallners ›geschossene‹ Feststellung, dass Frau Modrianow spurlos verschwunden
und nach aktuellem Stand der Dinge wahrscheinlich entführt worden war, brachte
die ›gnädige Frau‹ völlig aus ihrer Contenance.
»Aber wie, kann nicht stimmen«, sie stammelte völlig
zusammenhangloses Zeug und blickte Wallner verstört an. »Mein Mann hat
gesagt, …«
»Wo ist Ihr Mann eigentlich?«, unterbrach sie der
Oberinspektor. »Wir würden uns auch gerne mit ihm unterhalten.«
»Er hat nachmittags im Amt zu tun gehabt«, erläuterte Beatrix
Arenbach, »und abends noch ein, zwei private Termine in der Stadt. Ich erwarte
ihn so gegen 21 Uhr zu Hause.«
»Und was ist mit dem kleinen Mädchen?«, mischte sich Anderle
jetzt ein.
»Ach, Natascha war den ganzen Nachmittag mit mir unterwegs
und ist jetzt erschöpft«, erwiderte die Dame des Hauses. »Ich vermute, sie wird
jetzt schon schlafen. Können Sie auf ihre Gegenwart nicht verzichten? Was soll
die Kleine denn groß wissen?«
»Immerhin geht es um ihre Mutter«, warf Palinski ein. »Da
würde es mich als Kind schon interessieren, wenn meine Mutter spurlos
verschwunden ist. Zweitens sind Kinder viel bessere …«
Ehe er noch aussprechen konnte, war Natascha, die bis dahin
hinter einem der dicken Vorhänge versteckt gestanden war, hervorgetreten. »Was
ist mit Mamutschka los?«, wollte das sechsjährige Mädchen mit einem leichten
Anflug von Angst in ihrer Stimme wissen. »Was bedeutet ›spurlos verschwunden‹?
Mama ist doch bei der Polizei, hat Onkel Daniel gesagt. Das stimmt doch?«,
Hilfe suchend wandte sie sich an ›Tante‹ Beatrix.
»Da sehen Sie, was Sie angerichtet haben«, empörte sich Frau
Arenbach. »Nicht nur, dass Sie das Kind vom Schlafen abhalten, nun versetzen
Sie es auch noch in Angst und Schrecken.«
Wallner wollte etwas erwidern, überlegte es sich dann aber
und schüttelte nur mit dem Kopf. Dann holte er sein Handy heraus und stellte
eine Verbindung zu seiner Frau Franka her. Ihres Zeichens Leiterin der
Kriminalpolizei am Koat Döbling. »Es geht um unbürokratische Amtshilfe, Schatz.
Kannst du sofort in den Schreiberweg 311 kommen, wir müssen ein
sechsjähriges Mädchen befragen. Und darin bist du besser. Viel, viel besser«,
anerkannte er und meinte es auch wirklich so. »Und es ist dringend. Sehr
dringend.«
Beatrix Arenbach war sichtlich irritiert über das, was sich
da zusammenbraute. »Kann ich meinen Mann anrufen? Ich würde mich wohler fühlen,
wenn er bei dem Gespräch anwesend wäre.«
Natürlich durfte sie, bloß im Amte war der Herr Botschafter
nicht mehr anzutreffen. Und wo er sonst sein konnte? Die gnädige Frau hatte leider
nicht die geringste Ahnung.
*
›Zum Güldenen Drachen‹ war eines der ältesten
Gasthäuser Wiens und noch dazu eine der feinsten Küchen der Metropole. Zwei
Hauben im Gault Millau sowie ein Stern im Michelin, und das bereits seit
einigen Jahren, waren die äußeren Ehrenzeichen dieses gastronomischen Kleinods
in der Brigittenau. Für die Nicht-Wiener: der 20. Bezirk, ein Teil der
Stadt, der zwischen dem Donaukanal und der Donau lag und damit eigentlich eine
Insel darstellte.
Mit dem schon immer sehr bekannten und gut
geführten Beisl war seit der Übernahme des Betriebs durch Patrick Frotzinger,
dem Enkel des früheren Eigentümers, eine höchst spannende Transformation vor
sich gegangen. Hier befand sich heute eine der ersten Adressen für Gourmets
nicht nur in der Stadt, sondern überhaupt. Besonders stolz war Frotzinger auf
seinen exquisiten Weinkeller, der unter dem Motto › K & K Wein‹ stand. Natürlich konnte
man hier auch die besten und viele hervorragende Tropfen aus den berühmten
Weinbaugebieten dieser Welt bekommen. Wirklich einzigartig waren aber die
Auswahl an Weinen aus den ehemaligen Gebieten der Habsburgermonarchie und eine
aus etwa 2.500 Flaschen bestehende Raritätensammlung.
Heute erwartete Frotzinger, den
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