Pastetenlust
Höhen und Tiefen. Von Scheidung war aber nie die
Rede. Der Grund meiner gesundheitlichen Probleme hat nichts mit meinem Mann zu
tun. Ich war einfach überarbeitet”, versuchte sie, das Bild wieder zurecht zu rücken.
„Sie wollen uns also ernsthaft einreden, dass Sie sich beim
Ausreiten auf Ihrem Gehöft und beim Stallausmisten überarbeitet haben”,
konterte die Journalistin scharfzüngig. Einige der Anwesenden meinten, das
ginge doch etwas zu weit und begannen zu murren. Doch
Karin
Bergmann wollte keinen Beliebtheitspreis
gewinnen, sondern etwas für die Auflage der Abendausgabe tun.
„Meine Arbeit auf unserem Reiterhof stellt hohe Ansprüche an
meine Fähigkeiten als Managerin und Unternehmerin. Meine Großeltern haben in
den letzten Jahren vieles schleifen lassen. Ich musste das alles in wenigen
Monaten abstellen und neu organisieren. Das war Knochenarbeit”, versicherte
Sophie mit einem harten Zug um den Mund.
Karin
Bergmann
machte nicht den Fehler, sich auf die Diskussion von Details einzulassen. Sie
fand vielmehr, dass es an der Zeit war, die nächste Handgranate zu werfen.
„Dann stimmt es sicher auch nicht, dass Sie mit größeren,
finanziellen Problemen zu kämpfen haben? Und, dass sich Ihr Mann geweigert hat,
Ihnen einen größeren Betrag zur Verfügung zu stellen, um zumindest den
drückendsten Verpflichtungen nachkommen zu können?”
Die junge Witwe wurde langsam wütend. Das Lid ihres linken
Auges begann verdächtig zu zucken, was natürlich nur sie selbst bemerkte. Sie
würde sich zwingen müssen, den sachlichen Ton beizubehalten. Denn jede Aussage,
jedes Argument verliert mit steigender Lautstärke, wie sie ihrem Mann immer wieder gepredigt hatte, wenn er sie anbrüllte. Was zuletzt fast der
übliche Konversationston gewesen war.
Dennoch, Jürgen war tot. Der Anflug an Autosuggestion wirkte.
Einige Zehren verirrten sich in ihre Augen und sicherten ihr neuerlich die
Sympathie und das Mitgefühl der Mehrzahl der Anwesenden. Dennoch, man wartete
auf ihre Antwort auf die letzte Behauptung.
„Nein, das stimmt so nicht. Wir haben zwar mit gewissen
finanziellen Problemen zu kämpfen, aber nichts, was wir nicht gemeinsam wieder
ins Lot hätten bringen können. Alles andere ist üble Verleumdung. Sie sollten
sich schämen.” Die lautstark vorgebrachte Aufforderung prallte an
Karin
Bergmann ab wie der Ball beim Squash.
Ungerührt setzte sie ihren Kreuzzug fort, den andere später
als üble Hetzkampagne bezeichnen würden.
„Dann trifft es wohl auch nicht zu, dass jetzt eine
Lebensversicherung über 1,5 Millionen Euro fällig wird? Die an Sie als
Begünstigte zur Auszahlung gelangt und Ihre finanziellen Probleme mit einem
Schlag löst.”
Entweder war Sophie eine exzellente Schauspielerin oder die
Existenz der Lebensversicherung war ihr bisher tatsächlich nicht bekannt
gewesen. „Davon höre ich jetzt zum ersten Mal, ich schwöre es bei allem, was
mir heilig ist”, kam es aus der gebrochenen Frau heraus. Sie sank in sich
zusammen und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen.
Sophies Mutter sprang auf und erklärte die Pressekonferenz
für beendet. „Ich danke Ihnen für Ihr Kommen, herzlichen Dank für Ihr
Verständnis.” Der Blick, den sie
Karin
Bergmann dabei zuwarf, ließ vermuten, dass sie ihr die Pest an den Hals
wünschte.
*
Palinski
saß vor seinem Computer. Seit zwei Stunden ließ er die
verschiedensten Stichworte durch das Suchprogramm seiner Da tenbank ›Crimes-ideas&facts‹ laufen .
Die zündenden Assoziationen waren aber bisher ausgeblieben. Langsam machte sich
Enttäuschung bei dem sonst so geduldigen Rechercheur breit.
Zwischendurch hatte er sein
jüngstes Oeuvre, das aktuelle, zur Erscheinung in der 23. Kalenderwoche
bestimmte Abenteuer seines Privatdedektivs Mark Hellmann mit dem Titel
›Zorniges Bekenntnis‹ nochmals quergelesen. Doch auch dieses probate Mittel der
Inspiration hatte heute versagt. Wieder einmal der übliche, inzwischen schon
routiniert modifizierte Mist, den er unter dem Pseudonym Wolf Schermann zu
Papier gebracht hatte. Bereits siebenundsiebzig Mal in knapp eineinhalb Jahren.
Ein wahrscheinlich volltrunkener Redakteur des ›Essener Tagblattes‹ hatte zwar
einmal geschrieben, dass die Machwerke Schermanns weniger unerträglich seien
als das Gros des einschlägigen Angebotes. Ja, dass diese gelegentlich sogar
ansatzweise über literarische Qualitäten verfügten. Literarischer Mist also,
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