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Pastworld

Pastworld

Titel: Pastworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Beck
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nach draußen. »Da«, sagte er und klopfte gegen das Fenster, »das Haus, wo die Party stattfindet, ist irgendwo im Süden und in der Nähe von dem Fluss da unten.«
    Während die Türen zugeschlagen wurden, stand der Zug da wie ein großes wildes Tier und stieß schnaubend Dampfwolken aus. Widerwillig wandte Caleb sich ab.
    Sie verließen den nebligen Bahnsteig und gingen ein paar Stufen hinunter. Ein feuchter, düster beleuchteter, gefliester Tunnel verband die etwa zwanzig Bahnsteige unterirdisch miteinander. Darüber ratterten die großen Dampfeisenbahnen. Ein aufgeregter Gaffer, der von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet war und ein langes, wehendes Operncape trug, schwang einen silbernen Degen über seinen Kopf. Sein Gesicht war mit einer schwarzen Maske bedeckt und er drängte sich störend und zielsicher in Gegenrichtung der anderen Passagiere. Er warf einen Blick auf Caleb, zeigte im Vorbeigehen mit seinem falschen Degen auf ihn und lachte. Er rief: »Ich bin das Phantom«, und die Menge der Gaffer brach in Gelächter aus. Caleb fiel auf, dass Lucius nicht lachte, stattdessen verzog er das Gesicht und murmelte »Idioten! Was wissen die schon?« vor sich hin.
    An den Drehkreuzen am Ausgang des Bahnhofs war es ebenfalls voll. Vor ihnen ging ein weiterer mit einem Operncape verkleideter Halloween-Partygast. Während er dem Bahnbeamten seine kleine Pappfahrkarte reichte, drehte er sich um. Caleb sah, dass auch er eine Maske trug; nur dass die seine ein Schädel war, ein Totenkopf, genau wie die, die Caleb in der Tasche trug. Wäre Caleb abergläubisch gewesen, hätte er es später für ein Omen gehalten; aber Totenkopfmasken jeglicher Art gab es heute Abend wie Sand am Meer.

12
     
    Lucius Brown nahm für sich in Anspruch, über einen natürlichen Orientierungssinn zu verfügen, eine Art innerer Gewissheit, die Richtung zu kennen, aber Caleb merkte rasch, dass sein Vater nur eine sehr vage Vorstellung davon hatte, wohin sie gehen mussten. Kaum hatten sie den Bahnhof verlassen, schlug sein Vater die, wie er sicher wusste, »richtige Richtung« ein. Caleb blieb etwas hinter seinem Vater zurück. Sie marschierten eine lange, seltsam leere Straße hinunter, was ihm irgendwie unlogisch vorkam. Caleb war nicht wohl zumute. Ihm gefiel diese Straße nicht, Sie war nur spärlich beleuchtet, die Gaslaternen standen sehr weit auseinander. Es schien, als sollte überhaupt niemand diese Straße hinuntergehen, als wäre es eine Strecke, die nirgendwohin führt.
    Es machte Caleb nervös, dass sie sich außerhalb der wimmelnden Menschenmenge befanden und nur zu zweit zwischen den dunklen, nassen Schatten dahinschritten. Er war nicht sicher, ob seine Unruhe von der Verlassenheit der Straße herrührte oder von der Dunkelheit, generell von Halloween oder von dem Raunen und Flüstern des Nebels um sie herum.
    »Halloween ist ein importiertes Fest«, sagte sein Vater plötzlich und drehte sich zu Caleb um. »Meiner Meinung nach sollte es hier gar nicht so groß gefeiert werden. Es ist ein amerikanisches Fest, das wir nur übernommen haben. Sie bilden sich wer weiß was auf ihre Authentizität ein, aber manchmal liegt die Corporation einfach grundlegend falsch. Ich habe deswegen mal ein Memo an Mr Buckland verfasst und ihm meine Ansichten genauestens geschildert. Bleiben Sie bei der Bonfire Night im November, habe ich gesagt. Manchmal zweifle ich daran, ob meine Memos jemals gelesen werden.« Er drehte sich um und ging weiter. »In einer echt alten Straße so wie dieser hier spüre ich die Essenz und die Erinnerungen an die Vergangenheit. Die Verwirrungen und die Schmerzen früherer Leben, die im Lauf der Jahre irgendwie in diese Ziegel und in diese Steine eingesickert sind und sie überzogen haben.« Er blieb stehen und klopfte an die nasse Hauswand neben ihnen. »Und ich vermute, dass genau das einer der wesentlichen Gründe für den Erfolg von Pastworld ist, von diesem ganzen Ort, nämlich der Erhalt der Geister der Vergangenheit.« Caleb hatte einen Schritt zugelegt, sodass sie jetzt nebeneinander hergingen. Caleb fragte sich, ob auch sein Vater die Bedrohung wahrnahm, die von der Düsternis und den Schatten um sie herum ausging. Lucius drehte sich zu Caleb um, blieb stehen, legte ihm die Hand auf den Arm und sagte fast im Flüsterton: »Ich weiß genau, dass ich schon komplexe, raffinierte Maschinen gesehen habe, die ganz sicher eine Seele hatten und mehr als nur eine dumpfe Ahnung von ihrer eigenen Existenz.« Caleb runzelte

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