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Pastworld

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Titel: Pastworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Beck
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– und vielleicht würde es das ja auch.

10
     
    Die Droschke hielt vor einem hohen georgianischen Haus am Cloudesley Square, Islington, nördlich vom Zentrum der alten Stadt. Ihm fiel auf, wie nervös sein Vater war, was für einen Moment ganz deutlich wurde, als sie vor ihrer Unterkunft ankamen. Ein weiterer zerlumpter Mann tauchte aus dem Nebel auf und half dem Kutscher, die Seemannskiste abzuladen. Dann zerrte der Mann die schwere Kiste allein die wenigen Stufen bis zur Haustür hinauf. Seine Hände reibend blieb er stehen und wartete darauf, zusammen mit dem Kutscher entlohnt zu werden. Sein Vater musterte den Bettler von oben bis unten, betrachtete seinen schäbigen Mantel und seine löchrigen Stiefel. Er gab ihm eine Münze. Der Bettler besah sie, schaute auf zu Lucius Brown, machte einen Schritt auf ihn zu und blickte ihm in die Augen.
    »Das war eine schwere Kiste, eine sehr schwere«, sagte er leise, fast traurig. Dann steckte er die Münze in die Tasche, spuckte auf den Boden und verschwand vor sich hin murmelnd im Nebel.
    »Das war ’n Illegaler, Chef«, sagte der Kutscher und zog seinen Hut, während er seinen Fahrtlohn und ein großzügiges Trinkgeld einstrich. »Auf so welche müssense aufpassen, wennse in der Stadt unterwegs sin’.« Er trieb sein Pferd an.
    »Illegaler«, murmelte Lucius, bedeckte die Augen mit einer Hand und stand einen Moment lang wie angewurzelt da. Caleb sah, dass die Hand seines Vaters zitterte, als ob er Lampenfieber hätte. Dann riss Lucius sich zusammen, machte einen Schritt nach vorn und klopfte an die Haustür.
    »Mrs Bullock«, sagte Lucius, zog seinen Hut und machte eine leichte Verbeugung.
    »Oh ja, Mr Brown und Sohn, nicht wahr?«, sagte die freundliche ältere Frau im langen braunen Kleid, die die Tür geöffnet hatte. Sie machte einen Schritt beiseite und winkte sie in die Diele. Lucius stellte Caleb vor, der ebenfalls eine ungelenke Verbeugung machte und so freundlich lächelte, wie er nur konnte.
    »Meine Güte«, sagte Mrs Bullock, »was für ein gut aussehender junger Mann. Ich glaube, da müssen Sie auf all die jungen Damen achtgeben, Mr Brown.«
    Caleb wurde rot und schaute sich in der üppig dekorierten Diele um. Die Wände waren mit einem dunklen Blättermuster tapeziert. Schwer gerahmte Gemälde hingen an goldenen Ketten von einer Bilderleiste herunter. Eine weiße Marmorbüste von Königin Victoria stand auf einer Marmorsäule neben einem eleganten Ständer voller Regenschirme. Auch hier lag ein drückender Geruch in der Luft – eine Mischung aus Lavendel und gekochtem Gemüse.
    Mrs Bullock nahm zwei große, offiziell aussehende cremefarbene Umschläge von einem Tischchen.
    »Die hier wurden für Sie abgegeben«, sagte sie, »und von Carter Patterson wurden zwei Schachteln geliefert.
    Mir ist das offizielle rote Wachssiegel der Corporation auf den Umschlägen aufgefallen. Sie sind offenbar ein wichtiger Mann, Mr Brown, Master Brown.«
    »Früher vielleicht«, sagte Lucius und neigte den Kopf.
    Sie nickte ihnen ehrerbietig zu und machte dabei eine Art Knicks.
    »Ich habe nicht jeden Tag ein ehrenwertes Mitglied der Buckland Corporation bei mir zu Gast.« Sie drehte sich um und fuhr mit ihrem Federwisch über die Schnitzereien auf dem Schirmständer.
    »Danke, dass Sie sich so reizend um alles gekümmert haben, Mrs Bullock«, sagte Lucius. »Und jetzt entschuldigen Sie uns bitte, es war eine anstrengende Reise.«
    »Wo sind nur meine Manieren!«, sagte sie. »Ihre Zimmer sind in der ersten Etage, direkt die Treppe hinauf. Ich habe ein Feuer für Sie gemacht und es gibt reichlich heißes Wasser. Sie werden ganz ungestört sein.«
    Lucius ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Er lehnte sich gegen den Teppichvorhang, der die Zugluft abhalten sollte, und schloss die Augen. So blieb er einen Moment lang stehen, die beiden Umschläge fest in der Hand.
    »Was sind das für Briefe?«, fragte Caleb.
    »Das sind sicher unsere Einladungen«, entgegnete Lucius und ging zum Kohlefeuer, um sich zu wärmen. »Zu der großen Halloween-Kostümparty morgen Abend bei Abel Buckland, meinem alten Chef und dem Vorstandsvorsitzenden der Buckland Corporation.« Stolz präsentierte Lucius die Einladungen. Auf der einen Seite war ein riesiger Totenkopf über zwei gekreuzten Knochen eingraviert, auf der anderen Seite das Pastworld-Logo. Lucius fuhr mit dem Finger über die Gravuren, die Umrisse standen fühlbar hervor.
    »Eine echte Gravur, wie man sieht«, sagte Lucius,

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