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Pastworld

Pastworld

Titel: Pastworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Beck
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Hinweise finden. Der junge Zeuge, der, der da gerade wegrennt, ist Caleb Brown, siebzehn Jahre alt, Sohn von Lucius. Beide kamen aufgrund einer persönlichen Einladung hierher – mit Pässen von Buckland.«
    »Hat schon jemand die Leiche des Opfers abgeholt?«
    »Nun, vor zehn Minuten tauchte eine Ambulanz am Tatort auf«, sagte Hudson, »und ich zitiere: ›Die Leiche ist weg.‹ Wir wissen ja, was das bedeutet.«
    »Verkauft an einen illegalen Mördertour-Veranstalter«, sagte Catchpole.
    »Genau«, erwiderte Hudson. »Und von dem Jungen gibt es natürlich keine Spur. Wenn er schlau ist, hat er sich versteckt. Diese Szene hier sollten Sie sich ansehen.« Er zeigte die Sequenz mit der wartenden Kutsche und drückte, als das maskierte Gesicht auf dem Monitor erschien, auf Pause.
    »Das hier und der gestrige Sprung vom Turm, der abgetrennte Kopf, das fehlende Herz?«
    »Welches Interesse könnte das Phantom denn an diesem Brown haben?«, fragte Catchpole.
    »Einer von uns wird, oder falls ich schon wieder Pech habe, zwei von uns werden es bald herausfinden müssen«, sagte Hudson. »Zeit, Lestrade aufzusuchen und ihm zu zeigen, was wir haben.« Er griff sich an den Hals und fühlte bereits den steifen Kragen, den harten Knopf an der Kehle und die enge Weste.

14
     
    Aus Eves Tagebuch
     
    »Du hast noch nie was vom Phantom gehört?«, wollte Jago wissen.
    »Nicht dass ich wüsste«, erwiderte ich, aber irgendwo tief im Inneren regte sich eine Erinnerung. An Jack, der dicht über die Zeitung gebeugt das Wort »Phantom« vor sich hin murmelte.
    »Das Phantom kommt und geht wie ein Schatten«, sagte Jago. »Er ist unser lokaler Pastworld-Buhmann, eine echt Furcht einflößende Gestalt. Entweder klettert er hoch über die Dächer und Schornsteine oder er bewegt sich unsichtbar unter der Erde. Er ist ein seltsamer Typ, ein altmodischer, verwegener, prahlerischer Meisterverbrecher. Er trägt eine Maske und ist gelenkig wie eine Katze. Aber er schlitzt seinen Opfern auch die Hälse auf, reißt ihnen die Eingeweide und Herzen raus und trennt ihnen die Köpfe ab. Es heißt, dass er alle nicht zugelassenen Bettler und alles Böse, das in der Stadt vor sich geht, kontrolliert. Er ist der König der Armen, der König der Zerlumpten und der ganzen kriminellen Unterschicht. Er ist zu schlau, um sich fangen zu lassen, das, was er macht, beherrscht er perfekt. Auf den Märkten verkauft man sogar Balladentexte über ihn.«
    Ich hörte Jago entsetzt zu und versuchte, mir jemanden vorzustellen, der Herzen herausreißt, menschliche Herzen. Mit einem Schnalzen brachte Jago das Pferd zum Laufen und wir fuhren weiter. »Es sind hohe Belohnungen auf ihn ausgesetzt worden. Es hat ihn aber bisher nie jemand erwischen können – er ist einfach nicht zu fassen. Die Armen sehen irgendwie zu ihm auf. Sie haben ihm diesen legendären Folklorestatus übergestülpt und ihm sogar übernatürliche Kräfte zugeschrieben. Er springt von Gebäuden und hohen Dächern herunter. Er macht das, was man im letzten Jahrhundert Basejumping genannt hat. Einmal ist er bei einer Verfolgungsjagd vom Dach gefallen und an einem scharlachroten Fallschirm nach unten geschwebt.«
    Wir befanden uns in der Nähe des Flusses, rechts und links von uns ragten, wie ein schlecht sitzendes Gebiss, Lagerhäuser und Hafengebäude auf. Jago ließ das Pferd langsamer laufen und brachte den Wagen zum Stehen.
    »Morgen treffen wir den Rest unserer Familie«, sagte Jago.
    »Familie«, sagte ich und ließ mir das Wort auf der Zunge zergehen. Es war ein Wort, das ich kaum jemals benutzt hatte. Zumindest fühlte es sich so an.
    »Wir nennen es Familie. Genau genommen handelt es sich um Hinz und Kunz. Gaukler wie wir, eine lose Gemeinschaft. Zigeuner, arme junge Davongelaufene, alles Mögliche, wir sind eine sehr große Familie, wir stellen keine Fragen und wir verurteilen niemanden.«
    »Davongelaufene wie ich«, sagte ich.
    »Davongelaufene wie du«, entgegnete Jago. »Du kannst herzlich gern bei uns bleiben, Eve. Wir können dich beschützen, wenn es nötig ist, und wenn ich dich so ansehe, dann denke ich, dass es nötig ist.« Er nahm mich wie zum allerersten Mal in Augenschein. Ich spürte, wie seine Augen über mich hinwegglitten. »Weißt du, wir könnten dir vielleicht sogar etwas beibringen, wenn du das willst. Du hast das Aussehen einer Tänzerin – du könntest nützlich sein. Wir könnten dich trainieren und du kannst für deinen Lebensunterhalt arbeiten, solange du bei uns

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